Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Zugehörigkeit aller Streitsachen zu Entscheidungen des G-BA zum Vertragsarztrecht. Rechtskontrolle der Richtlinien des G-BA durch das Bundesministerium für Gesundheit. rechtliche Überprüfung von Beschlüssen des G-BA im Rahmen der Arzneimittelzulassung. Einbeziehung homöopathischer und anthroposophischer Arzneimittel in die Verordnungsfähigkeit. Begriff des Indikationsgebiets. Feststellung des jeweiligen Therapiestandards. Berücksichtigung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen bei der Festlegung des Katalogs von Ausnahmen des grundsätzlichen Verordnungsausschlusses

 

Orientierungssatz

1. Zu den in § 10 Abs 2 SGG genannten Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände rechnen auch die Streitigkeiten über Entscheidungen der gemeinsamen Gremien von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen. Klagen von Arzneimittelherstellern gegen die Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses in dessen vor Erlass des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 1988, 2477) bestehender Form sind deshalb als Vertragsarztrechtsangelegenheiten angesehen worden (vgl BSG vom 20.9.1988 - Rka 3/88 = SozR 1500 § 51 Nr 50 und vom 31.5.2006 - B 6 KA 69/04 R = SozR 4-2500 § 132a Nr 3). Zutreffend hat der 6. Senat des BSG daran auch nach der Neuausrichtung des G-BA durch § 91 SGB 5 idF des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG - vom 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190) festgehalten (vgl BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 13/05 R = SozR 4-2500 § 92 Nr 5 und vom 6.5.2009 - B 6 A 1/08 R = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, entgegen BSG vom 12.08.2009 - B 3 KR 10/07 R).

2. An der Zugehörigkeit prinzipiell aller Streitsachen, die Entscheidungen des G-BA betreffen, zum Vertragsarztrecht iS des § 10 Abs 2 SGG hat sich durch die zum 1.1.2004 geänderte Struktur dieses Gremiums nichts geändert.

3. Nach § 94 Abs 1 SGB 5 sind die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossenen Richtlinien dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen. Beanstandungen von Beschlüssen des GBA sind auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Ein beanstandeter Beschluss ist rechtswidrig, wenn er gegen das Gebot der Normenklarheit oder gegen die gesetzlichen Vorgaben verstößt.

4. Homöopathische und anthroposophische Arzneimittel werden in die Verordnungsfähigkeit und damit in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für die Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist.

5. Der Begriff "Indikationsgebiet" ist weder im SGB 5 noch in den Arzneimittel-Richtlinien legal definiert. Die Begriffe Indikation und Indikationsgebiet sind eng auszulegen.

6. Der jeweilige Therapiestandard muss stets bezogen auf bestimmte Arzneimittel unter Bewertung der jeweiligen Indikationen festgestellt werden. Eine schulmedizinische Sichtweise ist nicht alleiniger Bewertungsmaßstab für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht.

7. Bei der Festlegung des Katalogs von Ausnahmen des grundsätzlichen Verordnungsausschlusses nach § 34 Abs 1 SGB 5 ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Auch Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen sind zu berücksichtigen, namentlich der Anthroposophie, Homöopathie und Phytotherapie. Der jeweilige Therapiestandard muss aber immer bezogen auf bestimmte Arzneimittel unter Bewertung der jeweiligen Indikation festgestellt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.05.2011; Aktenzeichen B 6 KA 25/10 R)

 

Tenor

Die Feststellungsklage des Klägers wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine aufsichtsrechtliche Beanstandung.

Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBI. l 2190, 2194) wurde § 34 Absatz 1 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) u.a. dahin geändert, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Durch 34 Abs. 1 Satz 2 SGB wurde dem Kläger aufgegeben, in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals zum 31.03.2004 festzulegen, welche bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard geltenden nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur Anwendung bei diesen Erkrankungen vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen (§ 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Den ersten Entwurf der Ausnahmeliste legte der Kläger der Beklagten im Dezember 2003 vor. Nach Abstimmung mit der Beklagten hat der Kläger mit Beschluss vom 16.03.2004 in den Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien (AMR) hier: Abschn...

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