Entscheidungsstichwort (Thema)
Opferentschädigung. Schockschaden. anspruchsberechtigter Personenkreis. unmittelbare Schädigung. psychische Erkrankung. posttraumatische Belastungsstörung. Kausalzusammenhang
Orientierungssatz
Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gemäß § 1 Abs 1 S 1 OEG in Schockschadensfällen (hier: psychische Erkrankung der Ehefrau nach der Benachrichtigung von der Ermordung des von ihr getrennt lebenden Ehemannes).
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung einer psychischen Erkrankung der Klägerin als Schädigungsfolge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) nach der Ermordung ihres Ehemannes.
Die 1949 geborene Klägerin war seit 1971 kinderlos mit Herrn K. S. verheiratet. Seit April 1981 war die Ehe stark belastet, da der Ehemann der Klägerin eine außereheliche Beziehung mit Frau B. unterhielt, die er nicht beenden wollte. Im Mai 1981 trennten sich die Ehepartner, der Ehemann der Klägerin bezog eine andere Wohnung. Die Ehepartner blieben auch im Sommer 1981 miteinander in Kontakt.
In der Nacht vom 17. zum 18.08.1981 suchte der Ehemann der Klägerin die Wohnung der Frau B. und deren Ehemannes, des Herrn B., auf. Frau B. hatte sich in der vorangegangenen Zeit mit ihrem Ehemann ausgesöhnt, wollte ihre eigene Ehe aufrechterhalten und hatte ihren Entschluss, sich vom Ehemann der Klägerin zu trennen, diesem mitgeteilt. In der Nacht vom 17./18.08.1981 begab sich der Ehemann der Klägerin in die Wohnung des Ehepaares B. mit dem Bemühen um eine Aussprache und in der Absicht, Frau B. zurückzugewinnen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, insbesondere zwischen dem Ehemann der Klägerin und Herrn B., in dessen Verlauf Herr B. den Ehemann der Klägerin gegen 24.00 Uhr durch zwei Kopfschüsse tötete.
Nach der Rückkehr der Klägerin von einem 14-tägigen Urlaub mit Bekannten hatte sie im Tagesablauf des 17.08.1981 erfolglos versucht, ihren Ehemann zu erreichen. In den Abendstunden des 18.08.1981, zwischen 18.00 und 19.00 Uhr, suchten Kriminalbeamten die Klägerin zu Hause auf und unterrichteten sie sowohl im Rahmen dieses ersten Gespräches als auch im Rahmen der nachfolgenden Vernehmung in der Polizeidienststelle über die begangene Gewalttat, einschließlich der näheren Umstände.
Nachdem die Klägerin zunächst mit Fassungslosigkeit reagierte, ging es ihr nach der Beerdigung psychisch immer schlechter. Es erfolgte eine ambulante Behandlung durch die Dipl.-Psychologin A.B., bis im Januar 1982 eine stationäre Behandlung in der Psychiatrischen Nervenklinik der W. W.-U. M. erforderlich wurde (15.01.- 26.04.1982).
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihren erlernten Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin ausgeübt und nahm diesen nach der stationären Behandlung im Sommer 1982 wieder auf. Ebenso belebte sie seit Sommer 1982 alte soziale Kontakte wieder und ging eine neue Partnerschaft ein. Im Rahmen dieser Partnerschaft gebar sie im Januar 1984 ihren Sohn. Im Laufe des Jahres 1986 trennte sie sich nach Auseinandersetzungen von ihrem Partner. Nach dieser Trennung verschlimmerte sich der psychische Zustand der Klägerin erneut, so dass sie sich nach einer vor und nach der Geburt ihres Sohnes sporadisch nach Bedarf stattgefundenen psychischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin A. B. und die im Juni 1986 begonnene gesprächstherapeutische Betreuung durch die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. in der Zeit von Januar bis August 1987 wiederholt in stationäre Behandlung begeben musste (07.01.-20.03.: St. R.-H. T. GmbH; 06.04.-22.04.: R. M.; 22.04.-04.08.: M.-H. B./ L.).
Ihren Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin hatte die Klägerin seit Beendigung ihrer Ausbildung im Jahre 1966, lediglich unterbrochen durch die Zeit der psychiatrischen Erkrankung im Jahre 1982, bis November 1983, den Beginn ihres Mutterschutzes für den im Januar 1984 geborenen Sohn, ausgeübt. Nach der Geburt ihres Sohnes war die Klägerin bis 1986 arbeitslos und bis Juli 1988 aufgrund ihrer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Nach einer sich wiederum anschließenden Arbeitslosigkeit und psychischen Stabilisierung war sie in der Zeit von Juli 1989 bis Januar 1998 nacheinander bei drei verschiedenen Arbeitgebern in ihrem erlernten Beruf tätig, aus gesundheitlichen Gründen jeweils als Teilzeitkraft im Rahmen einer 20- bzw. 18-Stunden-Woche. Nach gestiegenen Anforderungen an ihrem letzten Arbeitsplatz verschlimmerte sich die psychische Erkrankung der Klägerin erneut. Aufgrund der hieraus seit Januar 1998 resultierenden Arbeitsunfähigkeit wurde ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Im Herbst 1998 kam es erneut zu einer stationären Behandlung (05.10.-10.11.: K. . S., D.). Seit Februar 1999 bezieht die Klägerin wegen ihrer psychischen Erkrankung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zumindest seit dem Jahre 2000 ist sie als Büroangestellte auf 630,--DM-Basis mit einer Arbeitszeit von 3 mal 3 Stunden wöchentlich beschäftigt und lebt seit 2000 mit ihrem Sohn, mit dem sie seit...