Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung einer Ersatzzeit. nationalsozialistische Verfolgung. verfolgungsbedingter Aufenthalt. Auswanderung. ursächlicher Zusammenhang
Orientierungssatz
Eine um die Jahreswende 1946/1947 begründete und über das Jahr 1949 hinaus beibehaltene Wohnsitznahme in Israel, erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 250 Abs 1 Nr 4 SGB 6, wenn nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen - hier unterschiedliche Ghetto- und Lageraufenthalte in Polen - wesentlich ursächlich für die Auswanderung bzw den Auslandsaufenthalt gewesen sind (vgl BSG vom 1.7.1970 - 4 RJ 353/69 = SozR Nr 46 zu § 1251 RVO).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.01.2004 geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 09.05.2003 verurteilt, die Zeit vom 01.01.1947 bis 31.12.1949 bei der Berechnung der Altersrente des Klägers als Ersatzzeit nach § 250 Abs. 1 Ziffer 4b SGB VI zu berücksichtigen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nur noch um die Anerkennung einer weiteren Ersatzzeit und insoweit um die Höhe der dem Kläger durch Bescheid der Beklagten vom 09.05.2003 bewilligten Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto - ZRBG -. Dieser Bescheid ist im laufenden Klageverfahren gegen den eine Rente ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 24.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.02.1998 ergangen.
Der am 00.00.1918 in Q, Kreis Lemberg, Polen, geborene Kläger lebt in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit. Er ist als Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt und hat Entschädigungsleistungen wegen Freiheitsschadens für die Zeit vom 18.11.1939 bis 18.01.1945 erhalten.
Nach dem Vortrag des Klägers im Entschädigungsverfahren wohnte er bei Beginn der Verfolgung in seinem Geburtsort. Er habe sich auf einer Geschäftsreise nach Krakau befunden, als der Krieg ausbrach und sei deshalb dort geblieben. Bis März 1943 sei er im dortigen Ghetto inhaftiert gewesen, dann in das Arbeitslager Plaszow und im November 1943 in das Zwangsarbeitslager Skarzysko-Kamiena gebracht worden. 1944 sei er in das Arbeitslager Sulejow überführt und dort im Januar 1945 durch die russische Armee befreit worden. In der Hoffnung noch jemanden von seiner Familie zu finden, sei er nach Krakau, Sosnowicz und seinen Geburtsort zurückgekehrt, habe aber erfahren müssen, dass Eltern, Schwester und Brüder bei Aktionen umgekommen seien. Das habe ihn in einen Zustand der Verzweiflung gebracht, er habe sich zu nichts mehr aufraffen können. Schließlich habe er mit einer Gruppe Jugendlicher Polen verlassen und sei über Prag, Wien und Italien sowie Zypern im Dezember 1946 nach Palästina gelangt. Hier habe er zunächst Gelegenheitsarbeiten verrichtet und 1947 eine Stelle in einem Elektrizitätswerk erhalten und diese Stelle nach der Militärzeit zurückbekommen.
In seinem ersten Rentenantrag vom 27.12.1989 gab er unter dem 06.06.1990 im Fragebogen der Beklagten und in einer eidesstattlichen Erklärung vom 15.07.1990 u.a. an, nach der Befreiung durch die russische Armee im Januar 1945 sei er ungefähr ein Jahr in Polen geblieben und im August 1946 erstmals nach Israel eingewandert, sie seien aber nach Cypern vertrieben worden. Von dort aus sei er im Dezember 1946 nach Israel zurückgekehrt. Die Beklagte erkannte Beschäftigungszeiten nach § 16 Fremdrentengesetz (FRG) vom 14.07.1934 bis 31.12.1935 sowie eine Ersatzzeit vom 01.10.1939 bis 31.12.1946 auf Grund politischer Verfolgung bzw. wegen Vertreibung/Flucht/Umsiedlung an. Dem Antrag auf Zahlung von Altersrente wurde nicht entsprochen, weil keine Beitragszeiten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vorhanden waren (Bescheid vom 05.03.1993). Auch den Antrag auf Nachentrichtung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 13.11.1992 ab. Die Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 08.06.1993 - betreffend den Bescheid vom 13.11.1992 und vom 03.08.1995 - betreffend den Bescheid vom 05.03.1993).
Im Rahmen eines weiteren - erfolglosen - Antrages auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen und Zahlung einer Altersrente nach dem Zusatzabkommen zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (Bescheid vom 24.09.1997, Widerspruchsbescheid vom 03.02.1998) erkannte die Beklagte im Klageverfahren nach dem Ruhen des Verfahrens durch Bescheid vom 09.05.2003 einen Anspruch des Klägers auf Altersrente nach dem ZRBG ab dem 01.01.1997 an. Sie berücksichtigte dabei u.a Pflichtbeitragszeiten vom 01.03.1941 bis zum 15.03.1943 sowie eine anschließende Ersatzzeit bis zum 31.12.1946. Der Kläger hat die Klage aufrechterhalten, weil weitere Ersatzzeiten über den 31.12.1946 hinaus zu berücksichtigen seien. Die Zeit der Auswanderung sei auf Verfolgungsereignisse zurückzuführen.
Der Kläger ha...