Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. befristetes Arbeitsverhältnis. Verschulden

 

Orientierungssatz

1. "Unverzüglich" iS von § 37b S 1 SGB 3 heißt entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs 1 S 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Eine Verletzung der in § 37b SGB 3 geregelten Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche setzt mithin ein Verschulden - Vorsatz oder Fahrlässigkeit - des Versicherten voraus. Die Regelung des § 37b S 2 SGB 3 bei befristeten Arbeitsverhältnissen setzt ebenfalls ein Verschulden voraus.

2. Die allgemeinen Aufklärungskampagnen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Gesetzgebers über die Neuregelungen des ArbMDienstLG 1 waren angesichts der Komplexität und der Vielzahl gesetzlicher Änderungen derart allgemein gehalten, dass Details den betroffenen Bürger kaum erreicht haben. Dementsprechend kann regelmäßig nicht auf die in § 37b SGB 3 normierte Kenntnis der Pflicht zur unverzüglichen Meldung geschlossen werden (vgl LSG Essen vom 21.9.2004 - L 1 AL 51/04 = Breith 2005, 604).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 24.01.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Minderung von Arbeitslosengeld gemäß § 140 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Nach vorheriger Arbeitslosigkeit war der Kläger vom 15.09.2003 bis zum 31.10.2003 als Produktionshelfer in einem S Industrie-Unternehmen beschäftigt. Die Beklagte hob die laufende Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen der Arbeitsaufnahme mit Bescheid vom 19.09.2003 auf. Mit diesem Bescheid wurde der Kläger zugleich auf folgendes hingewiesen:

"Eine erneute Zahlung der Leistung ist nur möglich, wenn Sie sich beim Arbeitsamt erneut persönlich arbeitslos melden. Ich empfehle Ihnen deshalb, nach Wegfall des Grundes, der zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung geführt hat, sofort bei der Abteilung Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung des für Sie zuständigen Arbeitsamtes vorzusprechen, wenn die Voraussetzungen für die Weiterzahlung der Leistung aus Ihrer Sicht wieder vorliegen. Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe können frühestens von dem Tage an gewährt werden, an dem die persönliche Arbeitslosmeldung erfolgt ist."

Mit Schreiben vom 13.10.2003 richtete der Arbeitgeber an den Kläger folgendes Schreiben:

" .. bezugnehmend auf Ihren befristeten Arbeitsvertrag vom 15.09.2003 bis zum 31.10.2003 weisen wir Sie darauf hin, dass Sie nach § 37 SGB III verpflichtet sind, sich unverzüglich nach Beendigungszeitpunktes, persönlich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden. Wenn Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld gemindert werden .. "

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete - nach zwischenzeitlicher Verlängerung - am 21.12.2003.

Am 16.12.2003 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld. Die Beklagte kündigte ihm mit Schreiben vom 13.01.2004 an, sie werde die beantragte Leistung um 1.050 Euro mindern, weil er sich 77 Tage zu spät arbeitssuchend gemeldet habe. Dementsprechend setzte sie die Leistung durch Bescheid vom 15.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2004 fest.

Das hiergegen angerufene Sozialgericht (SG) Köln hat der Klage durch Gerichtsbescheid vom 24.01.2005 stattgegeben und u. a. ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Minderung wegen verspäteter Meldung gemäß § 140 SGB III lägen nicht vor. Es könne dahinstehen, ob der Kläger von seinem Arbeitgeber falsch und von der Beklagten unzureichend belehrt worden sei. Denn das Gesetz selbst regele die Frage nicht, bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung der Arbeitssuche bei einem befristeten Arbeitsverhältnis erfolgen müsse. Der in § 37 b Satz 2 SGB III verwendete Begriff "frühestens" sei wegen des unklaren Verhältnisses zum vorangehenden Satz 1 der Vorschrift unklar, so dass dem Gesetz keine eindeutige Regelung entnommen werden könne.

Gegen das am 31.01.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.02.2005 Berufung eingelegt. Sie verweist auf die gesetzliche Intention, die Eingliederung von Arbeitssuchenden zu beschleunigen. Die durch § 37 b Satz 1 SGB III begründete Verpflichtung, sich "unverzüglich" arbeitssuchend zu melden, gelte auch für Arbeitnehmer, die aus einem befristeten Arbeitsverhältnis ausscheiden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 24.01.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist der Auffassung, dem Wortlaut des § 37 b Satz 2 SGB III könne nicht entnommen werden, wann die Meldung in dem dreimonatigen Zwischenzeitraum bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erfolgen habe. Er habe weder den Gesetzestext des § 37 b SGB III noch dessen Interpretation durch die Beklagte kennen können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des ...

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