Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarkürzung wegen fehlendem Fortbildungsnachweis. Beachtung der individuellen Hinweispflicht

 

Orientierungssatz

Ein Honorarkürzungsbescheid wegen fehlendem Fortbildungsnachweis ist formell rechtswidrig, wenn die betreffende Kassenärztliche Vereinigung ihrer individuellen Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.09.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Honorarkürzung wegen fehlenden Fortbildungsnachweises.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin F. und Dr. U.

Mit Schreiben vom 11.06.2010 erinnerte die Beklagte den Vertragsarzt F. daran, dass am 30.04.2011 die Frist zum Nachweis der gesetzlichen Fortbildungspflicht nach § 95d Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) ablaufe. Werde der Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig erbracht, sei sie verpflichtetet, das an ihn zu zahlende Honorar aus der Vergütung vertragsärztlicher Versorgung zu kürzen.

Mit Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.10.2011 für das Quartal II/2011 kürzte die Beklagte das Honorar des Vertragsarztes F. unter Hinweis auf § 95d SGB V um 10.188,52 EUR.

Mit Schreiben vom 07.11.2011 widersprach die Klägerin dieser Kürzung. Sie sei nicht rechtmäßig. Die Beklagte sei gemäß § 4 der Regelung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V (FortbRL-Ä) verpflichtet, die Vertragsärzte mindestens drei Monate vor Ablauf der Frist darauf hinzuweisen, dass ein fehlender Nachweis Honorarkürzungen zur Folge haben könne. Dieser Hinweis sei nicht erfolgt. Für den Vertragsarzt F. liege ein Punktekonto von mindestens 275 Punkten vor, das verlangte Fortbildungszertifikat sei beantragt und werde sofort bei Erhalt zugesandt. Mit Schreiben vom 12.12.2011 übersandte die Klägerin das vom 04.05.2011 datierende Fortbildungszertifikat und bat um rasche Überweisung des zurückbehaltenen Honorars.

Mit Bescheid vom 29.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie habe unter dem 11.06.2010 auf die Notwendigkeit der Vorlage des Fortbildungszertifikates der Ärztekammer Nordrhein bis zum 30.04.2011 und die ansonsten vorzunehmende Honorarkürzung hingewiesen. Weitere Hinweise seien durch Veröffentlichung in KVNO aktuell 5/2009 erfolgt. Das am 04.05.2011 ausgestellte Fortbildungszertifikat sei ihr erst im IV. Quartal 2011 nachgewiesen, die gesetzliche Frist für den Nachweis der geforderten 250 Fortbildungspunkte daher nicht eingehalten worden. Die Vorgaben des § 95d SGB V seien somit nicht erfüllt, weshalb es bei der Belastung verbleiben müsse.

Dagegen hat die Klägerin am 30.03.2012 durch den Vertragsarzt F. Klage erhoben. Die gesetzliche Fortbildungsverpflichtung habe er jederzeit erfüllt. Erst durch den Honorareinbehalt sei ihm bekannt geworden, dass er die Fortbildung gegenüber der Beklagten mit einer festen Terminvorgabe nachzuweisen habe. Die Beklagte sei verpflichtet, ihre Mitglieder auf Erbringung des Nachweises hinzuweisen. Das sei nicht erfolgt. Die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid erwähnte Veröffentlichung in KVNO aktuell aus dem Jahr 2009 beziehe sich auf eine Ärztegruppe, die nicht mit seiner Situation vergleichbar sei. Das Schreiben vom 17.06.2010 habe er nicht bekommen. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe schicke demgegenüber mindestens zwei Briefe an die Ärzte, nämlich zwölf Monate und drei Monate vor Ablauf der Fortbildungsnachweispflicht. Außerdem sei das bisherige und sonst übliche Vorgehen der Beklagten bezüglich fehlender Qualitätsnachweise ein ganz anderes. So werde z.B. jährlich die Nachweisweispflicht der DMP-Fortbildung schriftlich oder telefonisch angemahnt. Zudem sei in dem Vorgehen der Beklagten auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot zu sehen. Gegen die Fortbildungspflicht könne nicht verstoßen werden, wenn der jeweilige Vertragsarzt dieser Pflicht nachgekommen sei. Außerdem stehe die Höhe der Strafe nicht im Verhältnis zum Vergehen. Im vorliegenden Fall gehe es lediglich um den fehlenden Transfer eines Papiers zwischen der Ärztekammer Nordrhein und der Beklagten, wobei beide unter derselben Anschrift ansässig seien.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Abänderung des Abrechnungsbescheides für das Quartal II/2011 vom 25.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 die Beklagte zu verurteilen, die Kürzung nach § 95d SGB V zurückzunehmen und ihr ein Honorar in Höhe von 10.188,52 EUR nachzuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass der Vertragsarzt F. ihr bis zum 30.04.2011 mindestens 250 Fortbildungspunkte hätte nachweisen müssen. Hierüber und auch über die Folgen der Nichterbringung des Fortbildungsnachweises sei er mit...

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