Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Verweisbarkeit eines ungelernten Lagerarbeiters bzw Verkäufers. sozialgerichtliches Verfahren. Beeidigung eines Sachverständigen
Orientierungssatz
1. Zur Verweisbarkeit eines ungelernten Lagerarbeiters bzw Verkäufers.
2. § 410 Abs 1 S 1 ZPO regelt entgegen dem ersten Anschein keine Beeidigungspflicht, sondern nur die Modalitäten der Beeidigung (vgl BGH vom 03.03.1998 - X ZR 106/96).
3. Die sozialmedizinische Wertung kann durch einen Eid nicht überzeugender werden.
4. Eine Beeidigung kommt in Betracht, wenn das Gericht sich auf das Gutachten stützen und ihm durch die Beeidigung größeres Gewicht verschaffen möchte.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 2.3.2012 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt Gerichtskosten in Höhe von EUR 225. Im Übrigen sind Kosten auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Die 1954 geborene, verheiratete Klägerin ist im November 1969 ins Erwerbsleben eingetreten und hat zunächst Aushilfstätigkeiten verrichtet. Eine Berufsausbildung als Verkäuferin (im Lebensmittelhaus N, S) hat sie 1971 nach wenigen Monaten wegen der Geburt ihrer Tochter abgebrochen. Nachdem sie im Jahre 1974 kurzzeitig als Putzkraft gearbeitet hatte, war sie zuletzt seit 1997 (zunächst in Teilzeit, ab Februar 2000 in Vollzeit) als Lagerarbeiterin und Verkäuferin bei der Firma N Discount in S beschäftigt. Nach ihren Angaben handelte es sich dabei um einen sogenannten "1-Euro-Laden". Inhaber sei ein X, und außer ihr noch eine weitere Kraft beschäftigt gewesen, deren Vorgesetzte sie gewesen sei. Seit 2006 war die Klägerin arbeitsunfähig krank wegen erheblicher Beschwerden im Bereich des linken Vorfußes, die trotz mehrfacher Operationen verblieben. Die Tätigkeit im Discountladen nahm sie in der Folge nicht mehr auf. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30.11.2009. Seither ist die Klägerin beschäftigungslos.
Im November 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung verwies sie auf die Beschwerden im Bereich des linken Fußes, außerdem auf Rückenbeschwerden und Magenprobleme. Insbesondere die Beschwerden im Bereich des linken Fußes halte sie nicht aus.
Die Beklagte schaltete als Gutachterin die Internistin Dr. H aus E ein, die als wesentliche, die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Krankheiten "Persistierende Schmerzen und Bewegungseinschränkung linker Vorfuß nach dreimaliger Operation bei Ballenbildung; Wirbelsäulenverschleißerkrankung; beginnender Hüftgelenkverschleiß beidseits" vorfand und daneben "Meniskusschädigung linkes Kniegelenk; Sehnenansatzreizung beider Ellenbogen; Daumengrundgelenkverschleiß links" diagnostizierte. Die Klägerin könne als Verkäuferin oder Lageristin nur noch weniger als drei Stunden täglich arbeiten. Eine Besserung sei unwahrscheinlich. Von einer weitergehenden, abschließenden Beurteilung der Leistungsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben nahm sie wegen der noch andauernden Therapie zur Behandlung des linken Vorfußes zunächst Abstand (Gutachten vom 23.1.2007). Anfang 2008 veranlasste die Beklagte eine weitere Untersuchung durch den Chirurgen T1 aus E. Dieser bezeichnete die im Vordergrund stehende Erkrankung des linken Fußes als: "Mehrfach operierter Hallux valgus linke Großzehe mit folgenden Heilungsstörungen, Rezidivneigungen und letztendlich Versteifung des Großzehengrundgelenkes bei persistierender Schmerzsymptomatik" und äußerte den Verdacht auf eine (zusätzliche) somatoforme Schmerzstörung, weil der Untersuchungsbefund mit den Beschwerdeangaben der Klägerin nicht in Einklang zu bringen sei. Zusammenfassend führte er aus, dass der Klägerin zwar nicht mehr die Tätigkeit als Verkäuferin/Lageristin, jedoch weiterhin leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung - hauptsächlich im Sitzen - 6 Stunden und mehr (vollschichtig) zumutbar seien (Gutachten vom 13.2.2008). Dem folgend lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab (Bescheid vom 19.2.2008; Widerspruchsbescheid vom 21.8.2008). Offenbar danach ging bei der Beklagten eine Antwort der "Firma X" (auf eine Anfrage der Beklagten vom 2.5.2008) ein, aus der sich ergab, dass die Klägerin dort seit dem 1.5.1997 laufend schwere Lagerarbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichtete und ihr der Lohn einer ungelernten Arbeiterin gezahlt werde.
Mit ihrer Klage vom 3.9.2008 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass in Anbetracht des geäußerten Verdachts auf eine somatoforme Schmerzstörung eine psychiatrische Begutachtung erforderlich sei. Die Auswirkungen ihrer Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit seien überdies insgesamt gravierender als von der Beklagten angenommen. Aufgrund der zahlreichen qualitativen Leistungseinschränkungen...