Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress der Kassenärztlichen Vereinigung gegenüber dem Vertragsarzt aufgrund einer Plausibilitätsprüfung

 

Orientierungssatz

1. Abrechnungsauffälligkeiten, die sich aus den Tagesprofilen eines Vertragsarztes ergeben, berechtigen die Plausibilitätskommission der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Überprüfung erteilter Honorar- bzw. Abrechnungsbescheide. Diese begründen die Vermutung einer rechtlich fehlerhaften Abrechnung des Vertragsarztes. Unterschreibt dieser die Abrechnungssammelerklärung, indem er sich in vollem Umfang auf die Richtigkeit der Eintragung seiner Arzthelferinnen verlässt und keinerlei Kontrollen durchführt, so handelt er zumindest grob fahrlässig. Der Regress des Prüfungsausschusses der KV ist innerhalb von vier Jahren nach Erlass des Honorarbescheides zulässig.

2. Die KV ist nach ordnungsgemäßer Durchführung einer Plausibilitätsprüfung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung des ergangenen Abrechnungsbescheides berechtigt und hat das insoweit überzahlte Honorar zurückzufordern.

3. Ist der Vertragsarzt verantwortlich für die Falschabrechnung, die durch die Plausibilitätsprüfung zu Tage getreten ist und hat die KV die Berechnungsparameter zutreffend herangezogen, so sind weitere Ermittlungen des Gerichts zu Grund und Höhe des Regressanspruchs nicht geboten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.12.2013; Aktenzeichen B 6 KA 37/13 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 31.10.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Honorarrückforderung für die Quartale II/2005 bis IV/2005.

Der am 00.00.1940 geborene Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin in Brilon zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Plausibilitätskommission der Beklagten informierte den Kläger mit Anhörungsschreiben vom 03.06.2008 darüber, dass sich bei seinen Honorarabrechnungen für die Quartale II/2005 bis IV/2006 nach den einschlägigen Richtlinien relevante Auffälligkeiten ergeben hätten. Der Kläger habe jeweils Leistungen in Ansatz gebracht, für die er an mehr als zwei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden (720 Minuten) benötige; für die Quartale II/2005 bis I/2006 fänden sich außerdem auch Überschreitungen der zulässigen Gesamtminutenzeit von 780 Stunden (46.800 Minuten). Auffällig sei dabei insbesondere der häufige Ansatz der Gebührenordnungsposition (GOP) 03120 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM):

Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten 150 Punkte

Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 und 03120 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120. Bei der Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Leistungen und der Leistung nach der Nr. 03120 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120.

Nach Anlage 3 zum EBM (Angaben fu&776;r den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 SGB V) ist ergänzend bestimmt:

GOP Kurzlegende Kalkulationszeit In Minuten Prüfzeit In Minuten Eignung der Prüfzeit 03110 Ordininations- Komplex bis 5. Lj 10 8 Nur Quartalsprofil 03111 dito 6. bis 59 Lj. 10 7 dito 03112 dito ab 60. Lj 15 11 dito 03120 Beratung pp. 10 10 Tages- und Quartalsprofil

Beigefügt waren beispielhaft Quartalsprofile und Tagesprofilübersichten sowie die Darstellung einzelner Spitzentage mit ihren zeitrelevanten Gebührenziffern der Quartale II/2005 und IV/2006.

In seiner Stellungnahme vom 15.06.2008 erwiderte der Kläger: Wegen des außergewöhnlich hohen Arbeitsanfalls in seiner überdurchschnittlich großen Landarztpraxis müssten Umsetzung und computertechnische Erfassung der geleisteten ärztlichen Arbeit ausschließlich durch seine Helferinnen erfolgen und könnten von ihm auch nicht kontrolliert werden, zumal ihm die Bedienung des Computers aufgrund seines fortgeschrittenen Lebensalters ein Buch mit sieben Siegeln geblieben sei. Leider habe die Beklagte ihn erst sehr verspätet darauf hingewiesen, dass er die Vorgaben hinsichtlich der Gesamtminutenzahl pro Quartal und Gesamtzahl der Tage mit mehr als zwölf Arbeitsstunden überschreite. Im Übrigen merkte er zu den Zeitvorgaben des EBM an, dass er für die Leistungen nach den GOP 03110 bis 03112 EBM drei Minuten und nur bei über 70-jährigen Patienten auch mal fünf Minuten benötige. Die GOP 03120 EBM habe er in 30 Sekunden erledigt. Auch um die Problematik einer chronischen Krankheit zu vermitteln, brauche er keine zehn Minuten. Wirklich Zeit lasse er sich allerdings bei den zwei bis drei Terminen täglich, in denen er Jugendlichen die Spätfolgen des Rauchens zu erklären versuche. Hätte...

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