Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Hilfe beim Gehen
Orientierungssatz
Zur Bemessung des Zeitaufwands für die Hilfe beim Gehen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungsansprüche aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II bei vollstationärer Pflege ab dem 01.03.2006.
Die 1923 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet insbesondere an einer mittelgradigen Demenz mit halluzinatorischer Symptomatik. Zudem ist ihre Sehkraft stark eingeschränkt. Sie lebt seit 2006 im Pflegeheim M, Ev. Seniorenzentrum E-S. Die Beklagte gewährt Sachleistungen bei vollstationärer Pflege nach der Pflegestufe I, nachdem eine Begutachtung der Klägerin durch den MdK N ergab, dass bei ihr unter Zugrundelegung der pflegebegründenden Diagnose "dementielle Entwicklung mit eingeschränkter Alltagskompetenz" ein Grundpflegebedarf von 67 Minuten pro Tag (Körperpflege 37 Minuten, Ernährung 4 Minuten, Mobilität 26 Minuten) - Feststellungen des Gutachtens von Dr. W vom 09.02.2006 - bestehe.
Einen Höherstufungsantrag vom 01.03.2006 lehnte die Beklagte nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 09.06.2006 (Pflegefachkraft S R) ab, nachdem die Sachverständige aufgrund der bekannten pflegebegründenden Diagnose sowie eines Glaukoms beidseits mit erheblicher Sehschwäche einen Grundpflegebedarf von 60 Minuten pro Tag (Körperpflegebedarf 33, Ernährung 6, Mobilität 27 Minuten) annahm - Bescheid vom 16.06.2006 -.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, es sei wegen der bei ihr vorliegenden Demenz, die zu einem erheblichen Anleitungs- und Hilfebedarf führe, nicht nachzuvollziehen, dass die Zeitwerte des MDK-Gutachtens weit unter den Korridoren einer Vollübernahme lägen. Angemessen sei vielmehr ein Zeitaufwand im Grundpflegebereich von 186 Minuten täglich.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch die Pflegefachkraft Petra Karge untersuchen, die im Gutachten vom 24.08.2006 u.a. ausführte, vom Pflegepersonal des Heims würden starke Umsetzungsstörungen beschrieben, die bei der Begutachtung nicht hätten eruiert werden können. Es sei nicht auszuschließen, dass diese phasenweise auftreten. Die Sachverständige hat einen Grundpflegebedarf von 85 Minuten täglich (Körperpflege 43, Ernährung 16, Mobilität 26 Minuten) angenommen. Gestützt auf diese Feststellungen wies die Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2006 den Widerspruch zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 27.10.2006 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben, zu deren Begründung sie im wesentlichen ausgeführt hat, ihr Hilfebedarf sei wesentlich höher.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2006 zu verurteilen, ihr ab dem 01.03.2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und sodann über den Gesundheitszustand sowie den Pflegebedarf der Klägerin Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens sowie einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme der Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin U H, die einen Grundpflegebedarf von insgesamt 100 Minuten täglich im Wochendurchschnitt festgestellt hat. Hierbei hat die Sachverständige im Bereich der Körperpflege einen Bedarf von 55 Minuten täglich, im Bereich der Ernährung von 24 Minuten und im Bereich der Mobilität von 30 Minuten angenommen. Im Bereich Mobilität wird bzgl. der Verrichtung "Gehen" ein Hilfebedarf von 13 Minuten täglich zugrundegelegt, der sich aus 25 - 27 Mal täglich zurückzulegenden Wegstrecken, insbesondere zur Toilette und retour, zusammensetzt. Insoweit hat die Sachverständige ausgeführt, der Klägerin müsse verrichtungsbezogen eine orientierungsgebende Begleitung auf allen Wegen durch die Hilfsperson gegeben werden, denn die Klägerin finde sich ohne diese Hilfe nicht zurecht und habe Probleme beispielsweise ihr Zimmer oder die Toilette zu finden. Da nach den Begutachtungsrichtlinien bei Begutachtungen von Menschen, die in einer vollstationären Pflegeeinrichtung lebten, von einer durchschnittlichen häuslichen Wohnsituation mit einer Wegstrecke von 8 m als Maß für die Gehstrecke ausgegangen werden müsse, sei unter Berücksichtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin ein Zeitaufwand von einer halben Minute pro Weg anzunehmen.
Das SG hat mit Urteil vom 20.11.2007 die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab dem 01.03.2006 Leistungen nach der Pflegestufe II zu gewähren:
Bei der Klägerin bestehe unter Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 122 Minuten täglich, s...