Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachlich-rechnerische Richtigstellung bei Doppelbehandlung von Patienten durch Vertragszahnärzte einer Praxisgemeinschaft
Orientierungssatz
1. Ein Gestaltungsmissbrauch, der im Anschluss an das Urteil des BSG vom 22. März 2006 - B 6 KA 76/04 R - eine sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarabrechnung rechtfertigt, liegt auch bei Überschneidungsquoten von 37,6 bzw. 38,2 % von Vertragszahnärzten einer Praxisgemeinschaft vor.
2. Es ist rechtmäßig, bei der Honorarrückforderung wegen einer rechtswidrigen Doppelbehandlung die fiktive Zahl echter Behandlungsfehler zu Grunde zu legen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.06.2005 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Honorarrückforderungen für die Quartale I/99 bis IV/00.
Der Kläger nimmt als Vertragszahnarzt in E an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Bis zum 31.12.2002 war er Partner einer Praxisgemeinschaft, die (bezogen auf alle Mitglieder der Praxisgemeinschaft) werktäglich Öffnungszeiten von 07:00 Uhr bis 24:00 Uhr, an Wochenenden/Feiertagen von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr anbietet. Die der Praxisgemeinschaft angehörenden Zahnärzte sind in unterschiedlichen Schichten anwesend.
Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten sah in den streitbefangenen Quartalen eine fallzahlabhängige Vergütung vor. Nach § 4 Abs. 1 a) Abschnitt h) HVM wurden für Zahnärzte nach Leistungsarten (KCH, KB/KG, KFO, ZE, PAR) und Kassenbereichen getrennte Teilkontingente gebildet. Für die Leistungsart KCH wurde ein maximales Punktzahlvolumen je Fall, für die anderen Leistungsbereiche ein fester DM-Betrag bezogen auf die Fälle der KCH-Abrechnung bestimmt. Die Summe der Teilkontingente ergab ein individuelles Gesamtkontingent je Kassenart. Bis zum Erreichen der Teilkontingente nahmen die angeforderten Punkte/DM-Beträge je Fall an dem mit den Krankenkassen vereinbarten und vergüteten Punktwert teil. Für einzelne Fälle nicht verbrauchte Punkte/DM-Beträge wurden auf andere Fälle innerhalb der Leistungsart desselben Kassenbereichs übertragen. Nicht verbrauchte Teilkontingente einer Leistungsart kamen den anderen Leistungsarten zugute, soweit nach der Jahresabrechnung von den Krankenkassen gezahlte Vergütungsvolumen zur Verfügung standen. Soweit durch den Wirkungsmechanismus der Regelung insgesamt eine Begrenzung des dem Vertragszahnarzt im einzelnen Quartal und im Kalenderjahr zustehenden Honorars hervorgerufen wurde, wurden angeforderte Punkte/DM-Beträge bei der Honorarverteilung nicht berücksichtigt.
Die Beklagte bat mit Schreiben vom 30.07.2001 wegen einer auffällig hohen Zahl von Patienten, die auch von Kollegen der Praxisgemeinschaft behandelt worden waren, den Kläger dazu um Stellungnahme. Im Jahre 1999 waren durchschnittlich 37,6 % der Patienten, im Jahre 2000 38,2 % der Patienten auch von Partnern der Praxisgemeinschaft behandelt worden. Der Kläger erwiderte, dass keine Überweisung an andere Partner erfolgt seien und lediglich bei Abwesenheit wegen Krankheit, Urlaub pp. Vertretungen erfolgten. Es sei allerdings bei Notfällen auch nicht auszuschließen, dass andere Zahnärzte die gleichen Patienten behandelten. Nach einem Gespräch mit einem Mitglied der Praxisgemeinschaft zu den Gründen der Doppelbehandlungen forderte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2003 für die Quartale I/1999 bis IV/2001 Honorar in Höhe von 17.964,87 Euro zurück. Zur Begründung führte sie aus, auf Grund der durch die Doppelbehandlungen hervorgerufenen Fallzahlvermehrung sei es zu einer unzulässigen Erhöhung der HVM-Kontingente gekommen. Wenn man einen berechtigten Anteil von etwa 10 % für Urlaubs- etc. Vertretungen berücksichtige, bleibe ein relativ hoher Anteil doppelt behandelter Fälle, die nicht durch Praxisbesonderheiten oder die Organisation der Praxis erklärbar seien. Bei der Berechnung der Honorarrückforderung zog die Beklagte von den tatsächlich zur Abrechnung gelangten Fälle die mehrfach behandelten Fälle ab. Ein eigener Anteil des Klägers an diesen Fällen wurde in der Weise ermittelt, dass der Fall mit einem entsprechenden Bruchteil nach der Zahl der beteiligten Behandler berücksichtigt wurde (also bei zwei Behandlern mit 0,5, bei drei Behandlern mit 0,33). Nach Addition dieser Anteile wurde die Fallzahl um die von der Beklagten als vertretbar angesehene Quote von 10 % zulässiger Mehrfachbehandlungen erhöht. Ein Vergleich der Abrechnungswerte unter Zugrundelegung der tatsächlich abgerechneten Fallzahl und der nach der genannten Berechnung ermittelten Fallzahl ergab den als Folge einer unzulässigen Kontingenterhöhung unberechtigt erhaltenen Honoraranteil.
Der Kläger machte mit seinem Widerspruch geltend, die Versicherten hätten auf Grund ihres Rechts auf freie Arztwahl die Möglichkeit, den Behandler bei triftigen Gründen zu wechseln...