Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Einkommensberücksichtigung des nicht hilfebedürftigen Partners. Verfassungsmäßigkeit. keine Absetzung von Schulden wegen von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragenen Behandlungskosten
Orientierungssatz
1. Zur Verfassungsmäßigkeit der Einkommensberücksichtigung, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft über ein Einkommen verfügt, das ausreichen würde, um den eigenen Bedarf zu decken, aber nicht, um auch den Bedarf seines Partners zu befriedigen.
2. Von dem nach § 11 SGB 2 zu berücksichtigenden Einkommen können keine Beträge abgesetzt werden, die der Tilgung von Schulden dienen, die durch von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragene medizinische Behandlungskosten entstanden sind.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 11.01.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu er statten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist bei der Höhe des Arbeitslosengeldes II (Alg II) der Klägerin für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005, ob vom zu berücksichtigenden Einkommen ihres Ehemannes dessen Schulden abzusetzen sind.
Die Klägerin bezog bis Ende 2004 Arbeitslosenhilfe. Sie wohnt mit ihrem am 00.00.1941 geborenen Ehemann zusammen in einer Mietwohnung.
Mit Bescheid vom 17.12.2004 gewährte die Beklagte Alg II in Höhe von 325,20 EUR vom 01.01. bis 30.06.2005. Dabei legte sie einen Gesamtbedarf in Höhe von 716,50 EUR zugrunde und berücksichtigte das Einkommen des Ehemannes der Klägerin in Form einer Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 391,30 EUR.
Ihren dagegen am 11.01.2005 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie lebe mit ihrem Ehemann nicht in einer Bedarfsgemeinschaft, weil dieser nicht bedürftig sei. Aber selbst wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, dürfe das Einkommen des Ehemannes nicht in voller Höhe angerechnet werden. Es seien noch Versicherungsbeiträge für die Hausrat- und die Haftpflichtversicherung in Höhe von 28,87 EUR (19,50 + 9,37) sowie für die Rechtsschutzversicherung in Höhe von 16,77 EUR und die Glasversicherung in Höhe von 5,30 EUR abzusetzen. Darüber hinaus zahle ihr Ehemann in monatlichen Raten von 250,00 EUR ein Darlehen zurück, die als Schulden ebenfalls von seinem Einkommen abzuziehen seien. Abzusetzen seien zudem an die Sparkasse und den H Konzern zu zahlende Zinsen sowie die Kosten für einen Gymnastikkurs. Das Darlehen sei zur Finanzierung einer lebensrettenden Operation in den USA aufgenommen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2005 berechnete die Beklagte die Leistung neu und gewährte nunmehr 372,10 EUR Alg II. Dabei zog sie vom Bedarf der Klägerin das Einkommen des Ehemannes unter Berücksichtigung der Versicherungspauschale von 30,00 EUR und der Kosten für die KFZ-Haftpflichtversicherung nur noch in Höhe von 344,38 EUR ab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass weitere Absetzungen vom Einkommen des Ehemannes wie z.B. für Darlehenszinsen nicht erfolgen könnten, weil sie nicht im Katalog des § 11 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) enthalten seien.
Zur Begründung ihrer am 23.02.2005 erhobenen Klage hat die Klägerin erneut die Ansicht vertreten, zwischen ihr und ihrem Ehemann bestehe keine Bedarfsgemeinschaft, weil dieser nicht bedürftig und auch nicht erwerbsfähig sei. Aber auch bei einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft dürfe die Rente des Ehemannes nicht in voller Höhe berücksichtigt werden, weil entgegen § 11 Abs. 2 SGB II dessen Verbindlichkeiten von seinem Einkommen in Abzug zu bringen seien. § 11 SGB II sei insofern verfassungswidrig, verstoße insbesondere gegen Artikel 1 und 2 sowie 14 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2005 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Einkommens des Ehemannes zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Schulden des Ehemannes der Klägerin seien zu Recht nicht von dessen Einkommen in Abzug gebracht worden.
Mit Urteil vom 11.01.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung Folgendes ausgeführt:
"Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Diese Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat die Leistung der Klägerin zutreffend berechnet. Insbesondere hat sie das Einkommen des Ehemannes der Klägerin in zutreffender Weise berücksichtigt.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II ist. Bei der Ermittlung der Höhe der Leistung ist grundsätzlich das Einkommen des Ehemannes zu berücksicht...