Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des einzelnen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft auf Grundsicherungsleistungen als Individualanspruch

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Anspruch eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf höhere Leistungen des SGB 2 handelt es sich um einen Individualanspruch und damit um einen abtrennbaren Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Dagegen ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB 2 nicht möglich, weil es sich hierbei nicht um einen abtrennbaren Teil der Regelung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2 handelt, vgl. BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R.

2. Auch in der Bedarfsgemeinschaft bleiben die Ansprüche der einzelnen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft deren Individualansprüche. Das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft kann nicht mit einer eigenen Klage die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bzw. Ansprüche eines weiteren einzelnen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft verfolgen, vgl. BSG, Urteil vom 17. November 2006 - B 7b AS 8/06R.

3. Nach dem Regelungskonzept des SGB 2 sind die in § 20 Abs. 1 SGB 2 genannten Bedarfe mittels der Regelleistung, der Mehrbedarfe und der einmaligen Leistungen abschließend und pauschalierend gedeckt.

4. Ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus und ein Körperübergewicht bedürfen keiner besonderen Ernährungsform. Die zu deren Behandlung erforderliche Vollkost ist keine Krankenkost, auf welche die Mehrbedarfsvorschrift des § 21 Abs. 5 SGB 2 abzielt. Die Vollkost ist aus der Regelleistung zu bestreiten.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20.05.2011 wird zurückgewiesen. Kosten der Kläger sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger zu 1) für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2010.

Der am 00.00.1983 geborene Kläger zu 1) ist insulinpflichtiger Diabetiker. Er ist mit der am 00.00.1982 geborenen Klägerin zu 2) verheiratet. Sie haben drei gemeinsame Kinder, den am 00.00.2003 geborenen Kläger zu 3), den am 00.00.2005 geborenen Kläger zu 4) und die am 00.00.2009 geborene Klägerin zu 5). Die Klägerin zu 2) bezog für die drei Kinder in der Zeit vom 01.04. bis 30.09.2010 Kindergeld in Höhe von insgesamt 558,00 EUR (184,00 EUR + 184,00 EUR + 190,00 EUR). Die Bruttowarmmiete betrug in der Zeit vom 01.04. bis 30.09.2010 697,98 EUR (Grundmiete 524,16 EUR + Betriebskostenvorauszahlung 115,02 EUR + 58,80 EUR Heizkostenvorauszahlung). Das Warmwasser wurde zentral über die Heizung erzeugt.

Seit dem 01.03.2008 beziehen die Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, zuletzt bewilligt bis zum 31.03.2010.

Durch Bescheid vom 24.03.2010 versagte der Beklagte die Gewährung von Leistungen ab dem 01.04.2010 unter Berufung auf § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Am 01.04.2010 ging ein nicht unterschriebenes Schreiben beim Beklagten ein, in dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.03.2010 erhoben wurde. Dieses Widerspruchsverfahren wurde mit dem Geschäftszeichen XXX erfasst. Mit Schreiben vom 13.05.2010, eingegangen per Telefax beim Beklagten am 13.05.2010, bestellte sich der Prozessbevollmächtigte als Bevollmächtigter für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) in diesem Widerspruchsverfahren. Er wiederholte im Auftrag der beiden Kläger die Widerspruchseinlegung und beantragte die sofortige Leistungsgewährung zur Abwendung einer akut bestehenden Notsituation der Bedarfsgemeinschaft. Er vertrat die Auffassung, dass der Bedarf des Klägers zu 1) sich auf 508,40 EUR belaufe, da bei ihm ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II zu berücksichtigen sei. Durch Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.03.2010 als unbegründet zurück und stellte fest, dass die gegebenenfalls entstandenen notwendigen Aufwendungen nicht erstattet werden.

Nach Vorlage von Unterlagen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2010 der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus den Klägern zu 1) bis 5), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04. bis 31.07.2010 in Höhe von 1.443,05 EUR mtl., für August 2010 in Höhe von 1.543,05 EUR sowie für die Zeit vom 01.09. bis 30.09.2010 in Höhe von 1.443,05 EUR. Er gewährte dem Kläger zu 1) Leistungen nach dem SGB II im Bewilligungszeitraum in Höhe von 457,80 EUR mtl., die sich aus einer Regelleistung von 323,00 EUR und anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung von 134,80 EUR zusammensetzten.

Am 18.05.2010 beantragten die Kläger, den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu zahlen. Sie begehrten insbesondere die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II für eine kostenaufwändige Ernährung des Klägers zu 1). Sie stützten ihr Begehren auf ein Attest des praktisch...

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