Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme von Sehhilfen. Verordnung und Bestellung in 2003. Abgabe in 2004
Orientierungssatz
Die Krankenkassen haben die Kosten von Sehhilfen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, in Höhe der Festbeträge zu übernehmen, wenn die Verordnungen durch die Ärzte und die Bestellungen durch die Versicherten in 2003, die Lieferungen durch die Optiker jedoch erst in 2004 erfolgten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 06. September 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Leistungspflicht der Beklagten vor dem Hintergrund der Rechtsänderung des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zum 01.01.2004 in den Fällen besteht, in denen Sehhilfen gesetzlich Krankenversicherten zwar in 2003 verordnet und von diesen bestellt, aber erst zu Beginn des Jahres 2004 vom Leistungserbringer abgegeben wurden.
Die Kläger sind Mitglieder des Landesinnungsverbandes Nordrhein für das Augenoptiker-Handwerk und zur Abgabe von Sehhilfen an Versicherte der Beklagten zugelassen. Grundlage ihrer Tätigkeit ist ein Vertrag zwischen den Landesinnungsverbänden Nordrhein und Westfalen-Lippe für das Augenoptiker-Handwerk und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 07.07.1994 (im Folgenden: Vertrag) einschließlich Anlagen. Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
§ 1 Gegenstand des Vertrages Gegenstand des Vertrages ist a)die Lieferung und Reparatur von Sehhilfen sowie die Auswahl, Anpassung und Abgabe von Kontaktlinsen ... b)die Durchführung der Augenglasbestimmung für die Versicherten der Krankenkassen sowie die Vergütung und Abrechnung dieser Leistungen.
§ 4 Art und Umfang der Leistungen (1)Art und Umfang der Leistungen ergeben sich aus dem Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 128 SGB V, der Festbetragsregelung (Anlage 4a) in der jeweils gültigen Fassung und der vereinbarten Preisliste (Anlage 4b). (2) ...
§ 5 Abgabe der Leistungen (1)Leistungen nach diesem Vertrag dürfen aufgrund gültiger vertragsärztlicher Verordnung oder eines Berechtigungsscheines (Anlage 5) erbracht werden. Die ärztliche Verordnung verliert ihre Gültigkeit, wenn zwischen Ausstellung und Auftragserteilung (Datum des Annahmestempels) mehr als 30 Kalendertage liegen, es sei denn, die Krankenkasse stimmt der Leistungserbringung zu. (2)Die Leistungen haben den vertragsärztlichen Verordnungen oder den Berechtigungsscheinen zu entsprechen. Änderungen und Ergänzungen sind nur im Falle von Unklarheiten zulässig und bedürfen des Einverständnisses des verordnenden Arztes bzw. der Krankenkasse; ... (3) ... (4)Leistungen, für die Festbeträge festgesetzt wurden oder die Gegenstand der vereinbarten Preislisten sind, können nur mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Krankenkasse ausgeführt werden, es sei denn, diese verzichtet ganz oder teilweise hierauf ...
§ 7 Vergütung der Leistungen (1)Die Vergütung der Leistungen im Sinne dieses Vertrages richtet sich nach den festgesetzten Festbeträgen (Anlage 4a), ... (2)Können angefertigte Sehhilfen infolge Ablebens des Patienten nicht mehr abgegeben werden oder ist die Sehhilfe drei Monate nach Abgabe der Verordnung nicht abgeholt, ohne dass dies vom Augenoptiker zu vertreten ist, werden die nicht mehr verwendbaren Gläser zum Festbetrag bzw. Vertragspreis oder dem genehmigten Kostenvoranschlag mit der zuständigen Krankenkasse abgerechnet.
In der Zeit vom 02.01.2004 bis zum 16.01.2004 lieferten die Kläger an 151 - die Klägerin zu 1) an 91, der Kläger zu 2) an 60 - volljährige Versicherte der Beklagten Sehhilfen. Die Hilfsmittel waren bereits im Jahre 2003, überwiegend im Dezember, von den Versicherten auf Grund von ärztlichen Verordnungen oder von Berechtigungsscheinen bei den Klägern in Auftrag gegeben worden. Nach Auslieferung der Sehhilfen forderten die Kläger von der beklagten Krankenkasse die Zahlung der nach dem bis zum 31.12.2003 geltenden § 33 Abs. 2 S. 1 SGB V (a. F.) die auf die Versicherten entfallenden Krankenkassenzuschüsse, und zwar die Klägerin zu 1) in Höhe von insgesamt 7.128,99 EUR, der Kläger zu 2) in Höhe von 4.261,75 EUR. Mit Schreiben vom 16.04.2004 lehnte die Beklagte Zahlungen ab. Zur Begründung verwies sie auf die Abgabe der Sehhilfen nach dem In-Kraft-Treten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) am 01.01.2004 und die geänderte Fassung des § 33 SGB V (n. F.). Für die Leistungserbringung komme es nicht auf den Zeitpunkt der Verordnung, sondern auf den Tag der letzten Anpassung an. Es gelte neues Recht, das bei der Versorgung volljähriger Versicherter mit Sehhilfen keine Zahlung von Festbeträgen mehr vorsehe.
Am 18.10.2004 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht Aachen erhoben. Sie haben zur Begründung der Leistungspflicht der Beklagten gegenüber den Versicherten und des damit korrespondierenden eigenen Vergütungsanspruchs vorgetragen, ma...