Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes. Erledigung des Verfahrens bei Antragsrücknahme durch Praxisabgeber. Praxisbewerber hat keinen Anspruch auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Verlust des Nachbesetzungsrechts des Praxisabgebers im Fall einer unzulässigen Einflussnahme

 

Orientierungssatz

1. Ein Nachbesetzungsverfahren hat sich erledigt, wenn der Praxisabgeber nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses zur Durchführung des Verfahrens den Antrag auf Nachbesetzung seines Vertragsarztsitzes zurücknimmt.

2. Ein Praxisbewerber hat nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses, nicht jedoch auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Dies ergibt sich nicht allein aus dem Wortlaut von § 103 Abs 4 SGB 5, sondern folgt auch daraus, dass selbst ein vom Zulassungsausschuss ausgewählter Bewerber seine Zulassung nicht gegen den Willen des abgebenden Vertragsarztes durchsetzen kann.

3. Im Fall einer unzulässigen Einflussnahme auf das Nachbesetzungsverfahren wird das erste Verfahren nicht gegen den Willen des Antragstellers fortgeführt. Vielmehr verliert der Praxisabgeber das "Nachbesetzungsrecht". Er kann keine weiteren (zulässigen) Anträge nach § 103 Abs 3a und 4 SGB 5 stellen (vgl BSG vom 23.3.2016 - B 6 KA 9/15 R = BSGE 121, 76 = SozR 4-2500 § 103 Nr 18).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.10.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verfahren zur Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes beendet ist.

Der Beigeladene zu 8) war als Facharzt für Augenheilkunde in F niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Nachdem der Beklagte dem Antrag des Beigeladenen zu 8) gemäß § 103 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens mit Beschluss vom 23.04.2014 entsprochen hatte, schrieb die Beigeladene zu 7) dessen Vertragsarztsitz gemäß § 103 Abs. 4 SGB V im Rheinischen Ärzteblatt 6/2014 aus. Für die Nachbesetzung bewarb sich unter anderem der ebenfalls als Facharzt für Augenheilkunde in F vertragsärztlich zugelassene Kläger, verbunden mit dem Antrag, die Beschäftigung einer angestellten Ärztin zur Weiterführung der Praxis zu genehmigen. Im Nachbesetzungsverfahren fand sodann am 20.08.2014 vor dem Beklagten ein Termin statt, in dem die Sache vertagt wurde. Nachfolgend nahm der Beigeladene zu 8) mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 04.11.2014 den Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zurück, worauf hin der Beklagte das Verfahren als erledigt behandelte und einen für den 12.11.2014 angesetzten neuen Termin absagte. Dem widersprach der Kläger.

Im Februar 2015 beantragte das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) der Klinik E die Genehmigung der Beschäftigung des Beigeladenen zu 8) als angestellten Arzt. Dieser erklärte den Verzicht auf seine Zulassung unter dem Vorbehalt, dass die beantragte Anstellung bestandskräftig genehmigt werde.

Der Kläger, der weiterhin die Übernahme des Vertragsarztsitzes des Beigeladenen zu 8) im Wege der Nachbesetzung anstrebt, hat am 16.03.2015 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, das eingeleitete Nachbesetzungsverfahren sei nicht erledigt, da der Beigeladene zu 8) nach der bestandskräftigen Entscheidung des Beklagten über die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens den Antrag nicht mehr wirksam habe zurücknehmen können. Die bisherige Rechtsprechung, nach der der Vertragsarzt seinen Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes und Auswahl eines geeigneten Bewerbers bis zur Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses bzw. bis zur Bestandskraft des dem Ausschreibungsantrag stattgebenden Verwaltungsakts wirksam zurücknehmen könne, entspreche nach der zum 01.01.2012 eingeführten Neuregelung des § 103 Abs. 3a SGB V nicht mehr der Rechtslage. Denn der nach § 103 Abs. 3a Satz 1 SGB V statthafte Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens richte sich allein auf die Ausschreibung selbst. Sei diesem bestandkräftig stattgegeben worden, könne er nicht mehr zurück genommen werden. Den schützenswerten Interessen des Vertragsarztes sei bereits genüge getan. Berechtigte Belange, den Antrag nach bestandskräftiger Bescheidung über die Durchführung des Ausschreibungsverfahrens zurückzunehmen, seien nicht erkennbar. Während des Ausschreibungsverfahrens seien zunächst die Rechte der Bewerber im Lichte von Art. 3 Grundgesetz (GG) zu wahren. Die Chancengleichheit werde unterlaufen, wenn der abgebende Vertragsarzt nach positiver Bescheidung seines Ausschreibungsantrags diesen wieder zurücknehmen könnte, um - wie hier - zu verhindern, dass der Zulassungsausschuss einem anderen als seinem Wunschnachfolger die Zulassung erteile, und sodann versuche, auf einem ...

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