Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Feststellungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Feststellung des Nichtbestehens von Erstattungsforderungen bzw der Aufrechnungsbefugnis des Jobcenters. keine Passivlegitimation des vom Jobcenter mit dem Forderungseinzug beauftragten Trägers. Entscheidung über Antrag auf Forderungserlass. keine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Grundentscheidung
Orientierungssatz
1. Für die Frage der Feststellung des Nichtbestehens von Rückforderungen des Jobcenters oder dessen fehlender Aufrechnungsbefugnis fehlt es dem nach § 44b Abs 4 iVm § 44c Abs 2 S 2 Nr 4 SGB 2 mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs beauftragten Träger an der Passivlegitimation.
2. Im Rahmen der Entscheidung über den Erlass von Forderungen iS von § 76 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 4 (oder § 44 SGB 2) ist die Grundentscheidung über das Bestehen des Anspruchs grundsätzlich nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn diese offensichtlich und eindeutig falsch ist und dem Betroffenen eine rechtzeitige Anfechtung nicht möglich oder zumutbar war.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.10.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung, dass bestimmte Erstattungsforderungen des beigeladenen Jobcenters gegen den Kläger nicht bzw. nur in einer bestimmten Höhe bestehen, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der Forderungen.
Der Kläger bezieht gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn seit April 2006 laufend ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) von dem Beigeladenen.
Aufgrund wechselnder Höhe des Einkommens aus abhängiger Beschäftigung berechnete der Beigeladene die der Bedarfsgemeinschaft des Klägers tatsächlich zustehenden Leistungen regelmäßig neu und erließ im Zeitraum 2006 bis 2011 diverse Aufhebungs- und Erstattungs- bzw. Änderungsbewilligungsbescheide (Bescheide vom 12.12.2008, 30.03.2009, 04.08.2009, 02.11.2009, 01.12.2009, 11.01.2010, 25.01.2010, 01.03.2010, 06.04.2010, 10.05.2010, 01.06.2010, 04.10.2010, 19.10.2010, 20.12.2010, 26.01.2011, 22.02.2011 und 26.04.2011). Hierbei stellte er jeweils Überzahlungen fest und realisierte deren Erstattung größtenteils mit Aufrechnungen gegen die jeweiligen Leistungsansprüche. Außerdem forderte der Beigeladene die Rückzahlung eines mit Bescheid vom 11.04.2008 gewährten Darlehens. Den Einzug der jeweils noch offenen, d.h. nicht durch Aufrechnungen getilgten Forderungen übertrug der Beigeladene gemäß § 44b Abs. 4 SGB II auf die Beklagte.
Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 18.09.2012 auf dessen Anforderung hin eine Forderungsaufstellung (Anlage K3 des zum urspr. Az.: S 32 AS 1679/13 übersandten Klagebegründungsschriftsatzes vom 29.06.2013). Danach resultierte aus den diversen Aufhebungs-, Erstattungs- bzw. Änderungsbewilligungsbescheiden sowie aus dem Darlehensbescheid eine Gesamtforderung i.H.v. 3.549,96 EUR, von der eine Summe von 1.458,06 EUR noch offen war (Forderungs-Nr. x.) und zur Forderungsnummer x. weitere 98,86 EUR. Der Gesamtbetrag beider Forderungen summierte sich somit auf 3.648,82 EUR, die mit Stand 18.09.2012 durch Tilgung mittels Aufrechnung mit laufenden Leistungsansprüchen auf 1.501,38 EUR reduziert worden waren. Durch weitere Tilgungen reduzierte sich die Forderung zur Nr. x. gemäß Forderungsaufstellung der Beklagten vom 30.08.2013 auf 1.159,64 EUR.
Mit Schreiben vom 23.09.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Forderungen, welche vor dem 01.09.2009 entstanden seien, zu erlassen oder niederzuschlagen, sowie zu prüfen, ob und inwieweit durch Aufrechnung erfolgte Zahlungen auf Forderungen verbucht worden seien, deren Bestandskraft bereits länger als 3 Jahre zurückliege, so dass die Aufrechnung unzulässig sei.
Mit Bescheid vom 19.10.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Teilerlass der Forderung ab. Die gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 3 SGB IV vorausgesetzte Unbilligkeit im Sinne einer Gefährdung bzw. Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners läge nicht vor. Die Vorschriften des Sozialgesetzbuches böten ausreichenden Schutz. Aufrechnungs- und Verrechnungsmöglichkeiten nach §§ 51, 52 SGB I würden unabhängig von dieser Entscheidung wahrgenommen; die Forderung werde weiterhin mit den laufenden Sozialleistungen aufgerechnet.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 19.11.2012) und führte zur Begründung aus, über seinen Antrag auf Niederschlagung gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB IV habe die ...