Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. Befreiungstatbestand. Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer. ausscheidender Arbeitnehmer. Anteil der über 56-Jährigen. Pauschalabbauquote. Einzelfallbewertung. Vorabentscheidung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Ermittlung der Pauschalabbauquote des § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 AFG dürfen auch ältere Arbeitnehmer, die nach Eigenkündigung ausgeschieden sind, nicht unberücksichtigt bleiben. Bei Überschreitung der rein rechnerisch zu ermittelnden Quote ist gesondert eine Einzelfallbewertung vorzunehmen.

2. Dem unvorhergesehenen Ausspruch von Eigenkündigungen kann der Arbeitgeber dadurch begegnen, dass er von der Möglichkeit der Vorabentscheidung nach § 128 Abs 7 S 2 AFG Gebrauch macht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.11.2001; Aktenzeichen B 11 AL 45/01 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Sozialversicherungsbeiträgen.

Der ... 1937 geborene A W (W) war vom 02.02.1970 bis zum 30.06.1996 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete -- an Stelle einer wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes vorgesehenen betriebsbedingten Kündigung -- durch Aufhebungsvertrag vom 08.11.1995 zum 30.06.1996 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 17.000,00 DM. Die Kündigungsfrist betrug für die Arbeitgeberin sechs Monate zum Ende des Vierteljahres. Ab 01.10.1997 bezieht W vorgezogenes Altersruhegeld.

Er beantragte am 04.06.1996 Arbeitslosengeld. Im Antragsvordruck verneinte er Fragen nach Arbeitsunfähigkeit, gesundheitlicher Überforderung durch die letzte Beschäftigung sowie nach dem Bezug von Lohnersatzleistungen und nach Anträgen auf solche Leistungen. Die Klägerin gab in der Arbeitsbescheinigung an, innerhalb der letzten sieben Jahre habe W am 12.08.1994 und vom 03.12.1994 bis zum 24.02.1995 Krankengeld bezogen. Sie bescheinigte ausserdem, W habe in den abgerechneten letzten sechs Monaten seiner Beschäftigung bei einer wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden insgesamt ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 26.090,99 DM erzielt. Mit Bescheid vom 22.07.1996 bewilligte die Beklagte W ab 01.07.1997 Arbeitslosengeld nach Leistungsgruppe C/Kindermerkmal 0 entsprechend einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.000,00 DM in Höhe von wöchentlich 425,40 DM für eine Anspruchsdauer von 832 Tagen. Mit Änderungsbescheid vom 08.01.1997 passte sie das Arbeitslosengeld der Leistungsverordnung für das Jahr 1997 an und bewilligte ab 01.01.1997 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 418,80 DM.

Nach Anhörung der Rechtsvorgängerin der Klägerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.1996 deren Verpflichtung fest, das Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ab 01.07.1996 für längstens 624 Tage zu erstatten, da Umstände, die der Erstattungspflicht entgegenständen, nicht vorgetragen und nach Aktenlage nicht erkennbar seien. Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 02.12.1996 Widerspruch. Nachdem sie sich im Anhörungsverfahren auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bezogen hatte, machte sie nunmehr geltend, es lägen die Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr. 6 AFG vor. Innerhalb eines Jahres vom 01.10.1995 bis zum 30.09.1996 habe sie einen mehr als dreiprozentigen Personalabbau vorgenommen. Unter den in diesem Zeitraum ausgeschiedenen Arbeitnehmern habe der Anteil der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet hätten, nicht höher gelegen, als es deren Anteil an der Gesamtzahl der im Betrieb Beschäftigten zu Beginn des Jahreszeitraumes entspreche. Sie habe am 30.09.1995 1.105 Mitarbeiter gehabt. Diese Zahl habe sich bis zum 30.09.1996 auf 1.026 verringert. 105 Personalaustritten hätten 26 Personaleintritte gegenübergestanden. Im Ergebnis bedeute dies einen Personalabbau von 79 Mitarbeitern (7,15%). Der Anteil der Mitarbeiter der Gesamtbelegschaft, die am 30.09.1995 56 Jahre und älter gewesen seien, betrage 9,05% (100 Personen). Unter den in dem genannten Zeitraum ausgeschiedenen Mitarbeitern seien 18 Personen, die 56 Jahre und älter gewesen seien. Von diesen 18 Mitarbeitern hätten 7 Personen nach ihrem Ausscheiden keine Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch genommen. Sieben Mitarbeiter hätten sofort Rente bezogen. Ein Mitarbeiter sei verstorben. Sechs der 18 Mitarbeiter hätten selbst gekündigt. Lediglich 5 Arbeitnehmer seien durch arbeitgeberseitige Kündigung oder auf Grund einer Vereinbarung ausgeschieden. Diese 5 Mitarbeiter entsprächen einem Anteil von 6,33% an den ausgeschiedenen Mitarbeitern. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.03.1997 zurück. Im Verhältnis zum Anteil der älteren Arbeitnehmer im Betrieb (9,049%) hätten höchstens 8 ältere ausscheiden dürfen (Personalaustritte x Anteil der älteren Arbeitnehmer : 100). Von den innerhalb des Jahreszeitraums ausgeschiedenen ...

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