Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit. Arbeitsplatzaufgabe. wichtiger Grund. Zuzug. nichteheliche Lebensgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft. Erziehungsgemeinschaft
Orientierungssatz
1. Ein wichtiger Grund für eine Arbeitsplatzaufgabe iS von § 144 Abs 1 Nr 1 SGB 3 kann auch dann angenommen werden, wenn sie zu dem Zweck erfolgt, durch Umzug vom arbeitsplatznahen Wohnort nach dem Ort der gemeinsamen Wohnung ein engeres Zusammenleben mit dem Partner zu ermöglichen, mit dem bereits eine "eheähnliche Gemeinschaft" iS der Rechtsprechung besteht (vgl BSG vom 29.4.1998 - B 7 AL 56/97 R = SozR 3-4100 § 119 Nr 15).
2. Die Eheähnlichkeit einer zum Zeitpunkt der Arbeitsplatzaufgabe noch keine drei Jahre bestehende Gemeinschaft kann anerkannt werden, wenn der Zuzug zur Verlobten erfolgt, damit diese sich wieder an der Betreuung und Erziehung des nicht gemeinsamen Kindes beteiligen kann.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer sechswöchigen Sperrzeit und die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08.1999 bis 11.09.1999.
Der 1958 geborene Kläger wurde 1991 geschieden. Er ist Vater der am 05.02.1984 geborenen Tochter W, die seit der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau in seinem Haushalt lebt und von ihm betreut und erzogen wird.
Seit 01.07.1995 war er im erlernten Beruf des Medizintechnikers im Sana-Medizintechnischen-Zentrum auf der Insel R beschäftigt. Im Juli 1996 lernte er seine jetzige Lebensgefährtin, Frau Dr. M A kennen, die seinerzeit als Doktorandin im Institut für Biotechnologie im Kernforschungszentrum J tätig war. Im Januar 1997 verlobten der Kläger und Frau Dr. A sich und beschlossen, eine Lebensgemeinschaft zu begründen. Nachdem die Arbeitsplatzsuche des Klägers bei ca. 40 Arbeitgebern im Jahr 1997 in Großraum A erfolglos geblieben war, zog Frau Dr. A Mitte 1998 in die Wohnung des Klägers nach R. Auch ihre Arbeitsplatzsuche im Jahr 1998 in der Umgebung von R blieb erfolglos. Aus diesem Grund bewarb sie sich ab Ende 1998 in A und begründete zum 01.02.1999 ein Beschäftigungsverhältnis mit der R-W Technischen Hochschule (...) im Institut für Biotechnologie. Im Januar und Februar 1999 bewarb der Kläger sich seinen Angaben zufolge erneut erfolglos um einen Arbeitsplatz als Medizintechniker im Großraum A (ca. 15 bis 20 Bewerbungen), meldete sich mit Schreiben vom 19.03.1999 bei dem Arbeitsamt A als arbeitssuchend und teilte der Arbeitsverwaltung hierin mit, ab 01.08.1999 stehe er für eine neue Beschäftigung zur Verfügung. Am 23.03.1999 kündigte er sein Beschäftigungsverhältnis zum 31.07.1999.
Mit Wirkung zum 01.08.1999 meldete er sich bei dem Arbeitsamt A arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Zur Begründung seiner Kündigung führte er aus, aufgrund der großen räumlichen Entfernung zwischen R und A habe er mit Frau Dr. A selbst eine "Wochenendehe" nicht praktizieren können. Seinen Arbeitsplatz habe er aufgegeben, um die Lebensgemeinschaft mit Frau Dr. A wiederherstellen zu können. Dabei habe er vor allem auch im Interesse seiner Tochter W gehandelt, die eine gute Beziehung zu seiner Partnerin entwickelt habe. Die Betreuung von W durch eine weibliche Person sei dringend erforderlich gewesen.
Daraufhin stellte die Beklagte wegen Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit das Ruhen des Leistungsanspruchs für die Zeit vom 01.08.1999 bis 23.10.1999 fest (Bescheid vom 31.08.1999): Der Zuzug zum Verlobten sei kein wichtiger Grund für die Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, er habe zweieinhalb Jahre vergeblich versucht, einen Arbeitsplatz im Großraum A zu finden. Insbesondere wegen der räumlichen Entfernung sei ihm dies nicht gelungen. Mit Änderungsbescheid reduzierte die Beklagte die Sperrzeit auf sechs Wochen (01.08. bis 11.09.1999) und wies den Widerspruch des Klägers im übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1999 zurück: W sei keine gemeinsame Tochter, so dass der Kläger mit Frau Dr. A auch keine Erziehungsgemeinschaft hergestellt habe.
Mit der am 26.11.1999 bei dem Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei seit Jahren alleinerziehender Vater. Seine Tochter habe von einer weiblichen Person betreut werden müssen. Sie habe insbesondere Gesprächsbedarf über typisch weibliche Themen wie Pubertät, Menstruation, Sexualität und Liebesbeziehungen gehabt. Frau Dr. A habe während ihres Zusammenlebens in R nicht nur diesem Besprechungsbedarf Rechnung getragen, sondern sie habe W auch während seiner berufsbedingten Abwesenheit betreut und versorgt. Durch gemeinsames Lernen habe sie den Entwicklungsprozess seiner Tochter in der Schule gefördert, die hierdurch erhebliche Lernfortschritte vollzogen habe. Seine Entscheidung, seinen Arbeitsplatz aufzugeben, sei auch wirtschaftlich sinnvoll gewesen, da er als Medizintechniker in R ein geringeres Einkommen erzielt habe als Frau Dr. A bei der RWTH.
Der Kläger hat beantragt,
die...