Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. keine Kostenübernahme für einen behindertengerechten Umbau eines PKW zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit. keine Anwendung des § 9 Abs 2 Nr 11 BSHG§47V. unbestimmter Rechtsbegriff "angewiesen sein" iS des §§ 8 Abs 1 S 2, 9 Abs 2 Nr 11 BSHG§47V
Orientierungssatz
1. Ein Hilfebedürftiger hat keinen Anspruch gem §§ 53, 54 SGB 12 auf Kostenübernahme für einen behindertengerechten Umbau eines PKW zur Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.
2. § 9 Abs 2 Nr 11 der Verordnung nach § 60 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Eingliederungshilfe-Verordnung (juris: BSHG§47V) greift nicht ein, wenn der Umbau des PKW des Hilfebedürftigen einen erheblichen Umfang hat und fast die Kosten für den Neuerwerb des PKW erreicht (vgl SG Münster vom 10.10.2007 - S 16 SO 116/05).
3. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angewiesen sein" iS des §§ 8 Abs 1 S 2, 9 Abs 2 Nr 11 BSHG§47V.
4. Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 14 Abs 2 iVm § 33 Abs 8 Nr 1 SGB 9 und der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (juris: KfzHV).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.08.2009 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe die Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines Pkw.
Die Klägerin ist 1946 geboren. Im Alter von zwei Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung (Poliomyelitis). Seitdem sind beide Beine sowie Bauch- und Rückenmuskulatur teilweise gelähmt. Die Klägerin ist rollstuhlpflichtig. Bei ihr sind seit dem Jahr 1993 ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG", "H" und "RF" festgestellt. Im Feststellungsklage des Versorgungsamtes vom 13.04.1993 wurden folgende Gesundheitsstörungen aufgeführt: "Schwerer Lähmungszustand beider Beine mit X-Beinstellung in den Kniegelenken und Bewegungskontraktur und der Notwendigkeit des Tragens von Schienenhülsenapparaten, Unterarmstützen, Rollstuhl, Wirbelsäulenveränderungen und Atemdepression".
Die Klägerin war bis zum Jahr 1994 über den Zeitraum von 32 Jahren in Vollzeit berufstätig, zuletzt als Arbeitsvermittlerin bei der Bundesagentur für Arbeit. Sie bezieht eine monatliche Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 1.041,73 Euro sowie eine monatliche Betriebsrente von 532,15 Euro. Daneben erzielt sie ein monatliches Einkommen von 126,04 Euro aus einem Minijob (Hausverwaltung G.-str. in I.).
Die Klägerin ist alleinige Eigentümerin der von ihr allein bewohnten 111 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in der G.-str. in I.. Die Wohnung war barrierefrei errichtet worden. Die Klägerin ist nach ihren Angaben auf eine größere Wohnung angewiesen, um insbesondere sowohl ihren Falt-Rollstuhl als auch den elektrifizierten Rollstuhl E-Fix abstellen zu können. Die Wohnung hatte sie im Jahr 1997 zu einem Preis von 390.000 DM erworben. Zur Finanzierung hatte sie ein Darlehen aufgenommen, dessen Restschuld am 26.09.2009 92.008 Euro betrug (GA 95). Die Finanzierung ist mit einer Grundschuld über 117.597,13 Euro dinglich abgesichert (GA 96).
Im Jahre 1998 bezog die Klägerin einen Zuschuss von 7.000 DM vom Landessozialamt Niedersachsen für den Einbau eines Rollstuhlverladesystems für ihren VW-Golf Variant. Im Jahr 2009 erstattete die Krankenkasse der Klägerin Fahrten zu medizinischen Behandlungen in Höhe von 325,60 Euro.
Seit 1993 ist die Klägerin ehrenamtlich tätig, insbesondere im Verein N e.V. sowie - bis Ende 2008 - für das Soziale Zentrum I .. Im Jahr 2009 nahm die Klägerin nach der von ihr erstellten und zu den Akten gereichten Übersicht an 31 Terminen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit teil, von denen 9 Termine im Stadtgebiet I.. stattfanden. Im Jahr 2010 nahm die Klägerin nach der von ihr erstellten und zu den Akten gereichten Übersicht an 54 Terminen im Rahmen ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit teil, von denen 23 Termine im Stadtgebiet I. stattfanden.
Mit Schreiben vom 22.05.2007 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten einen Zuschuss für einen behindertengerecht ausgerüsteten PKW zur Ausübung ihres Ehrenamtes und zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Ihr alter PKW (VW-Golf Variant) habe inzwischen über 200.000 km gefahren. In den letzten 15 Monaten seien Reparaturkosten von 3.000 Euro entstanden. Auch das Verladesystem und die Handbedienung des Gaspedals seien aufgrund der vielen Kilometer sehr störanfällig und immer häufiger reparaturbedürftig. Ferner wolle sie sich künftig in dem gemeinnützigen Verein zur gegenseitigen Hilfe bei Arbeitslosigkeit und Wiedereingliederung, dem Bund Soziales Zentrum Deutschland e.V., engagieren. Ohne Mobilität sei ihr dies nicht möglich.
Mit Bescheid vom 08.08.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin gehe keiner regelmä...