Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Zehnjahreszeitraum. Streckungstatbestand. Anrechnungszeit. besondere versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Selbständigkeit als Überbrückungstatbestand

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung einer Überbrückungszeit zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitslosigkeit, in der eine Selbständigkeit ausgeübt wurde iVm § 58 Abs 2 SGB 6 und der Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 237 Abs 1 Nr 4 SGB 6.

2. Der Versuch, über eine Selbständigkeit die Arbeitslosigkeit abzuwenden, stellt ein Bemühen um Wiedereingliederung iS eines Überbrückungstatbestandes dar, denn die folgende Arbeitslosigkeit ist nur die Fortsetzung der diesem Selbsthilfeversuch vorangegangenen Arbeitslosigkeit; der Anschluss an die von ihr ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung ist für die spätere Arbeitslosigkeit gewahrt (vgl BSG vom 30.1.1969 - 5 RKn 133/65 = BSGE 29, 120 = SozR Nr 37 zu § 1251 RVO und BSG vom 8.3.1972 - 11 RA 190/71 = BSGE 34, 93).

3. Unerheblich ist es, dass sich die Dauer des Versuchs, über eine Selbständigkeit wieder Anschluss an das Arbeitsleben zu finden, über mehr als sechs Monate erstreckt. Grundsätzlich beinhaltet das Merkmal der Unterbrechung in § 58 Abs 2 SGB 6 die Erwartung einer Fortsetzung einer versicherten Tätigkeit oder Beschäftigung (vgl BSG vom 12.2.1992 - 8 RKn 7/91 = BSGE 70, 111 = SozR 3-2200 § 1259 Nr 11). Unter dem Rechtsgedanken der Sozialadäquanz sieht es der Senat als gerechtfertigt an, auch einen Zeitrahmen von ca 20 Monaten bei einem fehlgeschlagenen Versuch, über eine Selbständigkeit wieder Anschluss an das Erwerbsleben zu finden, als Überbrückungstatbestand zu werten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 26.07.2007; Aktenzeichen B 13 R 8/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.11.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten für den Berufungsrechtszug zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Der 1944 geborene Kläger war zunächst bis Oktober 1996 versicherungspflichtig beschäftigt. Dann war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Zur Beendigung der Arbeitslosigkeit versuchte er, sich selbständig zu machen. Hierzu gewährte ihm die Agentur für Arbeit Überbrückungsgeld. Dieser Versuch scheiterte nach 20 Monaten. Der Kläger meldete sich wieder arbeitslos und bezog erneut Arbeitslosengeld. Nach Erschöpfung dieses Anspruchs meldete er sich weiterhin arbeitslos.

Im Einzelnen gestaltet sich sein Versicherungsverlauf wie folgt: 01.01.1976 bis 07.10.1996 Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung 01.10.1996 bis 01.01.1997 Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezuges 31.08.1998 bis 02.10.2001 Pflichtbeitragszeiten wegen Arbeitslosengeldbezuges 03.01.2001 bis 25.04.2004 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug.

Am 28.04.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2004 ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente seien nicht erfüllt. Im 10-Jahres-Zeitraum vor Rentenbeginn seien nicht mindestens 96 Monaten mit Pflichtbeiträgen belegt, sondern nur 60 Monate.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Im maßgeblichen Zeitraum vor Rentenbeginn seien entgegen der Auffassung der Beklagten 96 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der 10-Jahres-Zeitraum sei zu verlängern um die Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (03.01.2001 bis 25.04.2004). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2004 zurück. Der 10-Jahres-Zeitraum vor Rentenbeginn verlängere sich hier nicht um die Zeiten der Arbeitslosmeldung ohne Leistungsbezug, da die zuletzt genannten Zeiten keine anrechenbaren Anrechnungszeiten seien. Durch die Arbeitslosigkeit sei keine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden, da der Kläger im Zeitraum vom 02.01.1997 bis 30.08.1998 selbständig tätig gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger am 23.0.8.2004 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, seine Selbstständigkeit stelle eine unschädliche Überbrückungszeit dar.

Mit Urteil vom 24.11.2005 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 verurteilt, dem Kläger ab 01.08.2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, es handele sich auch bei einer Zeit der Selbstständigkeit von mehr als 6 Monaten um eine unschädliche Überbrückungszeit.

Gegen das am 12.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.01.2005 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, nur eine Zeit bis zu 6 Monaten könne nach der bislang vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Überbrückungszeit darstellen.

Die Beklagte und Berufungskläger...

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