Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss der Krankenversicherung für eine Kollagenvernetzung der Hornhaut bei Degeneration der Augenhornhaut. neue Behandlungsmethode. kein Systemversagen. kein Seltenheitsfall
Orientierungssatz
1. Bei der Crosslinking-Behandlung handelt es sich um eine Kollagenvernetzung der Hornhaut bei Degeneration der Hornhaut des Auges. Sie ist als neue Behandlungsmethode noch nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungssystems geworden. Eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses liegt bisher nicht vor.
2. Ein Kostenerstattungsanspruch für eine solche Behandlung unter unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens ist ausgeschlossen, weil angesichts der vorhandenen Datenlage eine Beratung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht in Betracht kommt.
3. Ebenso ist eine Kostenerstattung aufgrund eines gegebenen Seltenheitsfalles ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der Häufigkeit der Erkrankung - 1 : 2000 - und der laufenden Studien erscheint eine systematische Erforschung des Keratokonus möglich.
Normenkette
SGB V §§ 13, 135 Abs. 1 S. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5, § 2 Abs. 1a
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 10. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Crosslinking-Behandlung (Kollagenvernetzung der Hornhaut) des linken Auges hat.
Der 1980 geborene Kläger leidet an einem auf beiden Augen bestehenden deutlich ausgeprägten Keratokonus (einer nicht entzündlichen Degeneration der Hornhaut) mit Visusreduktion. Im Januar 2012 beantragte er bei der Beklagten, bei der er gesetzlich krankenversichert ist, unter Vorlage medizinischer Befunde und eines Kostenvoranschlags der B GmbH die Übernahme der Kosten für eine Crosslinking-Behandlung der Hornhaut beider Augen. Die Beklagte holte vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein nach Aktenlage erstattetes Gutachten vom 03.02.2012 ein. Danach handele es sich bei der beantragten Hornhautvernetzung mit Riboflavin (Crosslinking) um ein neues Verfahren zur Behandlung eines Keratokonus. Bevor ein neues Behandlungsverfahren in den vertragsärztlichen Leistungskatalog aufgenommen werden könne, sei nach § 135 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eine positive Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) erforderlich, die bisher nicht vorliege. Das Behandlungsverfahren befinde sich im Stadium der klinischen Erprobung; die bisher vorliegenden Daten reichten nicht aus, die Wirksamkeit des Behandlungsverfahrens an einer ausreichend großen Patientenzahl mit ausreichend langer Nachbeobachtungszeit zu belegen. Es handele sich bei einem Keratokonus nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung. In einigen Fällen komme es bei den betroffenen Patienten zu einer Abnahme des Sehvermögens auf dem betroffenen Auge; es seien jedoch auch Spontanverläufe bekannt, bei denen die Erkrankung zum Stillstand komme. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich keine Hinweise, dass ohne die Hornhautvernetzung die Gefahr einer akut drohenden Erblindung bestehe. An vertragsärztlichen Behandlungsmöglichkeiten stünden die Versorgung mit Kontaktlinsen und als ultima ratio eine Hornhauttransplantation (Keratoplastik) zur Verfügung.
Mit Bescheid vom 13.02.2012 lehnte die Beklagte daraufhin die beantragte Kostenübernahme ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.03.2012).
Mit der am 26.04.2012 zum Sozialgericht Aachen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Erstattung der Kosten für die mittlerweile am 22.02.2012 durchgeführte Operation des linken Auges begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Beim Keratokonus handele es sich zwar nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung, in unbehandeltem Zustand drohe jedoch der dauerhafte Verlust eines wichtigen Sinnesorgans und somit eine nachhaltige Beeinträchtigung der Lebensqualität. Sehhilfen seien lediglich geeignet, die Folgen der Sehstörung zu lindern, könnten jedoch das Fortschreiten des Keratokonus nicht verhindern. Die Crosslinking-Behandlung habe den Funktionsverlust der Hornhaut aufgehalten und sogar deren Funktionsfähigkeit teilweise wiederhergestellt und sei wirtschaftlicher als die von der Beklagten vorgeschlagene Hornhauttransplantation. Im Übrigen handele es sich beim Keratokonus um eine "seltene Krankheit" im Sinne der EU-Definition des "Aktionsprogramms der Gemeinschaft betreffend seltene Krankheiten, einschließlich genetischer Krankheiten". In einem solchen Fall bedürfe es keiner positiven Empfehlung des GBA, da die Wirksamkeit einer neuen Behandlungs- und Untersuchungsmethode gar nicht den medizinischen und wissenschaftlichen Standards entsprechend angemessen erprobt werden könne.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung seien nur bei Vorliegen der in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Voraussetzungen von der Leistungspflic...