Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. immunmodulatorische Therapie nach Dr Hilgers und Prof Dr Ihle keine Kassenleistung

 

Orientierungssatz

Bei der immunmodulatorischen Therapie nach Dr Hilgers und Prof Dr Ihle handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zählt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin die Kosten für eine immunologische Behandlung zu erstatten hat.

Die Klägerin leidet an einer Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose -- MS --). Erste Symptome zeigten sich 1990 und es erfolgte bis November 1991 eine Behandlung mit Imurek sowie Cortison. Zwischen Ende 1991 und 1993 wurde die Klägerin wiederholt in der Fachklinik für Neurologie D u.a. mit dem Medikament Mitoxantron behandelt. Im Dezember 1993 begab sich die Klägerin in die Behandlung bei Dr. H und Prof. Dr. I die eine sogenannte immunmodulatorische Behandlung mit Immunglobulinen (zunächst Plurimmun, sodann Sandoglobulin und danach Octagam) einleiteten.

Am 18.03.1994 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Behandlung durch Prof. Dr. I und Dr. H bei der Beklagten. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22.03.1994 ab, weil der behandelnde Vertragsarzt aufgrund seiner Therapiehoheit allein entscheiden müsse, welche Mittel er zu Lasten der Krankenkasse verordnen könne und müsse. Fehle eine solche Verordnung, könne im Nachhinein keine Kostenerstattung erfolgen.

Die Klägerin legte am 08.04.1994 Widerspruch ein und machte geltend, die Behandlung mit Cortison und Imurek sei in ihrem Fall nicht mehr erfolgversprechend. Die Ablehnung der Behandlungsvorschläge durch Dr. H und Prof. Dr. I führe zu einem allgemeinen Behandlungsverzicht und als dessen Folge zu einem sich verschlechternden Krankheitsbild mit Krankenhausaufenthalt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil das System der Gesetzlichen Krankenversicherung vom Sachleistungsprinzip geprägt sei und daher derjenige, der einem Arzt einen privaten Behandlungsauftrag erteile, grundsätzlich die entstandenen Behandlungskosten selbst zu tragen habe.

Die Klägerin hat am 06.02.1995 vor dem Sozialgericht -- SG -- Düsseldorf Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Wirksamkeit der immunologischen Behandlung durch Dr. H und Prof. Dr. I sei in vier internationalen Studien nachgewiesen worden. Die Kostenablehnung durch die Beklagte beruhe auf einer Systemstörung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Zur Stützung ihrer Auffassung hat die Klägerin sieben Gutachten (Prof. Dr. O vom 18.05.1995, Prof. Dr. von B vom 18.05.1995, PD Dr. M vom 02.10.1995, Dr. H vom 25.02.1997, Prof. Dr. E vom 28.10.1997, Dr. P vom 03.12.1997 und Prof. Dr. G vom 31.03.1998) sowie eine Stellungnahme der Dres. Dr. A vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen -- MDK -- Nordrhein vom 12.02.1992 und mehrere Veröffentlichungen und Gerichtsentscheidungen über die Wirksamkeit der Behandlungsmethoden von Dr. H und Prof. Dr. I sowie die Erstattungsfähigkeit der Kosten dieser Behandlung vorgelegt.

Das SG hat Befund- und Behandlungsberichte von Dr. H, Dr. S sowie der Neurologischen Abteilung der St. Lukas-Klinik in S-O und der Fachklinik für Neurologie D eingeholt.

In seinem sodann auf Veranlassung des SG erstatteten Gutachten vom 13.01.1998 hat Prof. Dr. M, Ärztlicher Direktor der Fachklinik für Neurologie D, ausgeführt, die Genese des Krankheitsbildes der MS, an der die Klägerin leide, sei noch ungeklärt, man spreche jedoch von einer Autoimmun-Erkrankung. Schon die Behandlung mit Mitoxantron sei keine schulmedizinische Methode gewesen. Im Dezember 1993 seien alle schulmedizinischen Behandlungsmethoden im engsten Sinne erschöpft gewesen. Die Behandlung durch Dr. H mit Immunglobulinen neben unspezifischen Aminosäuren und Vitaminen stelle eine nach dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand vielversprechende Behandlungsmöglichkeit der MS dar, wenngleich diese Therapie noch nicht allgemein anerkannt sei und es sich nach wie vor um eine experimentelle Methode handele. Seine eigene Erfahrung bei jungen MS-Patienten zeige, dass alle einigermaßen erfolgversprechenden Maßnahmen zur Verhinderung der Krankheitsprogression eingesetzt werden sollten, bis ein wirksames Mittel gefunden sei. Patienten sei es nicht zumutbar abzuwarten, bis international breit akzeptierte Behandlungsmethoden ausgearbeitet seien.

Die Beklagte ist diesem Gutachten mit einer Stellungnahme der Dr. von G vom MDK Nordrhein entgegengetreten, die unter dem 15.05.1998 die Auffassung vertreten hat, auch nach Auffassung Prof. Dr. M handele es sich bei der Immunglobulin-Therapie um eine experimentelle Methode. Unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen sei eine solche Behandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung daher nicht zulässig, weil ihre Unbedenklichkeit nicht ausre...

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