Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Klärung der Leistungspflicht für bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode. Verstoß gegen Arzneimittelrecht. Nichterweislichkeit einer erfolgversprechenden Behandlung mit der dendritischen Zell-Vakzinierungstherapie. objektive Beweislast zu Lasten des Versicherten
Orientierungssatz
1. Eine vertragliche Vereinbarung unmittelbar zwischen dem Patienten und einer Impfstoff liefernden Firma verstößt gegen die Apothekenpflicht. Daneben ist die unmittelbare Lieferung von Tumorvakzinen vom Hersteller an den Patienten als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Einer daraus resultierenden Zahlungspflicht stehen die §§ 134 und 817 S 2 BGB entgegen (vgl BSG vom 28.3.2000 - B 1 KR 21/99 R = SozR 3-2500 § 13 Nr 21).
2. In Fällen, in denen der Gemeinsame Bundesausschuss für den Einsatz einer neuen Behandlungsmethode keine entsprechende Empfehlung abgegeben hat und auch kein Systemversagen vorliegt, ist darauf abzustellen, ob sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat, hier: Behandlung mit der dendritischen Zell-Vakzinierungstherapie (vgl BVerfG vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = NZS 2006, 84).
3. Es ist nicht erweislich, dass die Behandlung mit der dendritischen Zell-Vakzinierungstherapie im Jahre 2001 eine Behandlungsmöglichkeit war, die mehr als eine ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bot.
4. Die Nichterweislichkeit geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten des klagenden Versicherten, der Rechte aus der nichterweislichen Tatsache herzuleiten sucht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Münster vom 27. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht als Sonderrechtsnachfolger seiner 1941 geborenen und am 2003 verstorbenen Ehefrau, E. N., von der beklagten Ersatzkasse die Erstattung von 19.429,23 DM, die vom Konto der Eheleute an das beigeladene Labor in H für Leistungen überwiesen worden sind, welche das Labor der Ehefrau des Klägers in Rechnung gestellt hatte. Diese (in Folge: die Versicherte) war bei der beklagten Ersatzkasse aus der Mitgliedschaft ihres Mannes in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) familienversichert. Die Leistungen des Labors wurden zur Durchführung einer sog. "dendritischen Zell-Vakzinierungstherapie" benötigt.
Nachdem bei der Versicherten 1992 ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert worden war, wurde sie in den Folgejahren mehrfach zu Lasten der Beklagten stationär im Krankenhaus behandelt. Mit Schreiben vom 15.6. teilte sie der Beklagten am 19.6.2001 mit: sie werde bereits seit einigen Jahren wegen Krebs behandelt; ihr behandelnder Arzt, Prof. Dr. Dr. B aus B, habe ihr empfohlen, eine neu entwickelte Tumortherapie anzuwenden, die, wie dem beiliegenden Material zu entnehmen sei, in Zusammenarbeit mit einem Labor in H durchgeführt werde, das einen Impfstoff herstelle; auch sei eine Operation notwendig, die Prof. Dr. N1 vom Städtischen Klinikum S durchführen würde; es wäre schön, wenn die Kasse die entstehenden Kosten übernehmen würde. Zu dem von der Versicherten beigefügten Material gehörten "Informationsmaterial für Patienten BIOVac ® DC" Stand April und Stand Juni 2001, Gebrauchsinformationen zu "BIOVac ® DC", Bescheinigungen über Erlaubniserteilungen für - und ein "Angebot" der (in der Berufungsinstanz beigeladenen) "I L H GmbH" (damaliger Geschäftsführer Dr. phil. L - alleiniger Gesellschafter: m gmbh, H1 ) vom 11.6.2001 an die Versicherte, in der dieser (mit Spezifikation von Einzelpreisen, ohne Referenz für die Preisgestaltung ) für pauschal 15.180,10 DM das "Individual-Rezepturarzneimittel BIOVac ® DC durch Aufarbeitung einer Tumorgewebeprobe, Herstellung und Kryokonservierung des Impfstoffes aus dendritischen Zellen" angeboten wurden. Im Informationsmaterial hieß es u.a.: die dendritischen Zellen würden mit den Tumorbestandteilen "scharf" gemacht, um nach Impfung beim Patienten eine Immunreaktion auslösen zu können; der Patient erhalte seinen Individual-Lebend-Impfstoff; BIOVac ® DC werde zur Impfung dem Körper des Patienten zurückgegeben, wie bei allen Impfungen in Abständen von mehreren Wochen; das Verfahren werde seit einigen Jahren in mehreren Kliniken und Spezialpraxen angewendet; in Deutschland, der Schweiz und den USA und weiteren Ländern lägen Berichte über Therapieerfolge bei verschiedenen Krebserkrankungen vor; beim Nierenzellkarzinom, Hautkrebs und anderen Krebsarten lägen bereits gute Erfolgsmeldungen vor.
Der Mitarbeiter der beklagten Ersatzkasse, Herr Q, vermerkte mit Datum des 28.6.2001: "1. Privatlabor 2. keine Kassenzulassung des Arztes 3. alles auf Privatbasis 4. warum Privatlabor ? 5. keine KÜ möglich"
Mit formellem, schriftlichen Bescheid vom 6.7.2001 entschied die Beklagte:...