Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses während der Elternzeit trotz Befreiung von der Leistungspflicht. Aufhebungsvertrag mit Abfindung. kein wichtiger Grund. Kündigungsschutz nach BEEG
Leitsatz (amtlich)
Während der Elternzeit besteht das Beschäftigungsverhältnis bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis fort.
Orientierungssatz
Ein wichtiger Grund iS des § 144 Abs 1 S 1 SGB 3 für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Abfindungsvereinbarung während der Elternzeit liegt nicht vor, wenn eine rechtmäßige arbeitgeberseitige Kündigung zum gewählten Beendigungszeitpunkt aufgrund des Kündigungsschutzes gem § 18 BEEG nicht möglich und die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum betreffenden Zeitpunkt zur Sicherstellung der Kinderbetreuung auch nicht notwendig gewesen wäre.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.11.2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe.
Die Klägerin war seit dem 01.06.2002 bei der T. F. Communications GmbH (TFM) als Diplom-Informatikerin im Rahmen einer 38,5-Stunden-Woche versicherungspflichtig beschäftigt. Sie erzielte ein Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt über 5.000,00 EUR monatlich. Es galt eine Kündigungsfrist von 2 Monaten. Die Tochter der Klägerin wurde am 00.00.2007 geboren. Vom 17.10.2007 bis zum 23.01.2008 befand sie sich im Mutterschutz, danach in Elternzeit, die am 23.11.2008 ablief. In dieser Zeit bezog die Klägerin Elterngeld.
Während der Elternzeit erkundigte sich die Klägerin bei ihrer Arbeitgeberin, welche Arbeitsmöglichkeiten nach dem Ende der Elternzeit bestünden. Mit Schreiben vom 18.04.2008 teilte ihre Arbeitgeberin ihr mit, dass aufgrund der Marksituation und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens Arbeitsplätze abgebaut werden müssten. In einem Interessenausgleich mit den Arbeitnehmervertretern sei festgelegt worden, dass ihr Arbeitsplatz und die Arbeitsinhalte ihrer Funktion zukünftig entfielen. Die Klägerin solle prüfen, ob für sie ein Wechsel innerhalb der TFM sowie innerhalb und außerhalb des Hauses T. über die "Personaldrehscheibe" oder die im Interessenausgleich vereinbarten Angebote - u.a. der Abschluss eines Aufhebungsvertrages - in Betracht komme.
Mit Schreiben vom 02.06.2008 bot die TFM der Klägerin einen Aufhebungsvertrag an. Danach sollte das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Arbeitgeberin wegen dringender betrieblicher Gründe mit Ablauf des 30.06.2008 enden und die Klägerin wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von insgesamt 45.152,06 EUR erhalten. Hierin war u.a. ein sogenannter "Kündigungsfristausgleich" von 15.421,50 EUR enthalten.
Das Angebot war bis zum 10.06.2008 befristet. Am 09.06.2008 nahm die Klägerin das Angebot an. Sie meldete sich alsdann am 14.10.2008 mit Wirkung zum 23.11.2008 (Ende der Elternzeit) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 28.11.2008 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.07.2008 bis zum 22.09.2008 wegen Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Arbeitgeberin durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages fest. Die Klägerin habe keinen wichtigen Grund für ihr Verhalten mitgeteilt. Während dieser Zeit ruhe ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um ein Viertel der Anspruchsdauer, nämlich um 90 Tage.
Mit Bescheid vom 01.12.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 23.11.2008 Arbeitslosengeld mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen, wobei sie die Auszahlung der Leistung aufgrund des Eintritts einer 12-wöchigen Sperrfrist bis zum 22.08.2009 begrenzte.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.11.2008 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass der abgeschlossene Aufhebungsvertrag nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.07.2006 und den Dienstanweisungen der Beklagten keine Sperrzeit auslösen könne. Aufgrund des Interessenausgleichs wäre die Kündigung betriebsbedingt mit Bestimmtheit zum gleichen Zeitpunkt eingetreten. Zudem sei ihr eine Abfindung angeboten worden, so dass alle Voraussetzungen erfüllt seien, die nach dem Urteil des Bundessozialgerichts nicht zum Eintritt einer Sperrzeit führten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.2008, am selben Tag abgesandt, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 144 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) bestimme, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit ruhe, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Die Klägerin habe am 09.06.2008 einem Aufhebungsvertrag zur Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06....