Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch des Krankenhauses bei maschineller Beatmung des Versicherten

 

Orientierungssatz

1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine stationäre Behandlung des Versicherten bestimmt sich nach §§ 109 Abs. 4, 39 Abs. 1 S. 2, 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 S. 1 KHEntgG, 17b KHG i. V. m. dem Fallpauschalenkatalog.

2. Die Beatmung mittels High-Flow-Nasenkanüle (HFNC) stellt keine maschinelle Beatmung dar, weil der Patient die Atemarbeit leistet.

3. Eine Gleichstellung der HFNC mit einer maschinellen Beatmung ist ausgeschlossen.

4. Eine Beatmung mittels HFNC kann auch nicht als Entwöhnungszeit zu den Beatmungsstunden hinzugerechnet werden.

5. Eine CPAP-Maskenbeatmung erfüllt die Definition der maschinellen Beatmung i. S. der DKR 10011 nicht (BSG, Urteil vom 30.7.2019, B 1 KR 11/19 R).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.01.2022; Aktenzeichen B 1 KR 28/21 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.09.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 10.378,83 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Beatmungsstunden im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin des F Krankenhauses Oberhausen, das in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein Westfalen aufgenommen ist.

Die bei der Beklagten gesetzlich versicherte Patientin M O (im Folgenden: Versicherte) wurde am 20.11.2016 per Kaiserschnitt in der 31. + 5 Schwangerschaftswoche im Haus der Klägerin entbunden. In der Erstversorgung zeigten sich eine Herzfrequenz von 100/min sowie das Fehlen der Eigenatmung. Nach Blähübungen und Absaugen von Fruchtwasser setzten vereinzelte Atemzüge ein (Schnappatmung) und es wurde am 20.11.2016 um 2 Uhr nachts mit einer CPAP-Beatmung (continuous positive airway pressure) mit Maske begonnen. Diese wurde nach Übernahme auf die neonatologische Intensivstation der Klägerin bis zum 23.11.2016, 8 Uhr über insgesamt 78 Stunden fortgesetzt. Ab dem 23.11.2016 um 8.00 Uhr bis um 10.00 Uhr des Folgetages erfolgte für weitere 27 Stunden eine Beatmung mittels High-Flow-Nasenkanüle (HFNC). Am 23.12.2016 wurde die Versicherte entlassen.

Für die Behandlung stellte die Klägerin der Beklagten am 31.12.2016 einen Betrag von 28.947,35 EUR auf Basis der Fallpauschale (Diagnosis related groups, DRG) P04B (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1500 - 1999 g mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung ≫ 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen oder mehrzeitigen komplexen OR-Prozeduren, ohne Beatmung ≫ 240 Stunden) in Rechnung. Die Beklagte glich die Rechnung zunächst aus und leitete eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 21.04.2017 zu dem Ergebnis, dass nur 78 der abgerechneten 105 Beatmungsstunden zu berücksichtigen seien. Daher dürfe lediglich die DRG P65A (Neugeborenes Aufnahmegewicht 1500 - 1999 g ohne signifikante OR-Prozedur, ohne Beatmung ≫ 95 Stunden, mit mehreren schweren Problemen) abgerechnet werden, was zu einer Differenz in Höhe der Klageforderung führe. Die Beatmungszeit der HFNC-Beatmung dürfe nicht als maschinelle Beatmung kodiert werden.

Gestützt auf dieses Ergebnis rechnete die Beklagte Ende 2017 sukzessive mit insgesamt vier weiteren unstreitigen Behandlungsfällen der Klägerin in einer Gesamthöhe von 10.378,83 EUR auf.

Diesen Betrag nebst Zinsen hat die Klägerin mit der am 16.03.2018 vor dem Sozialgericht Duisburg (SG) erhobenen Klage geltend gemacht.

Sie hat vorgetragen, dass die Aufrechnung der Beklagten zu Unrecht erfolgt sei, da ihr kein Erstattungsanspruch zugestanden habe. Die Klägerin habe die Zeit der HFNC-Beatmung gemäß der Kodierrichtlinie 1001l der Deutschen Kodierrichtlinien 2016 (DKR) sowie dem OPS-Kode 8-711.4, der ausdrücklich die "Atemunterstützung durch Anwendung eines HFNC-Systems" vorsehe, abgerechnet. Die HFNC-Beatmung sei zumindest als Entwöhnung von der Beatmung zu berücksichtigen.

Die Beklagte ist diesem Vorbringen mit Verweis auf das MDK Gutachten entgegengetreten. Die HFNC-Therapie stelle eine Atemunterstützung und keine maschinelle Beatmung dar.

Abgesehen von den Beatmungsstunden ist die Abrechnung des Behandlungsfalls zwischen den Beteiligten unstreitig.

Das SG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 19.09.2019 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die HFNC-Beatmung weder eine maschinelle Beatmung darstelle, noch bei Säuglingen und Neugeborenen einer solchen gleichgestellt sei. Ebenso wenig könne sie als Entwöhnung von einer maschinellen Beatmung als Beatmungsdauer erfasst werden.

Gegen das ihr am 01.10.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.11.2019 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, dass das SG Duisburg die HFNC-Beatmung zu Unrecht nicht als abrechenbare Beatmung berücksichtigt habe. Die zuvor erfolgte CPAP-Maskenbeatmung sei für den engen Personenkreis der Neugeborenen und Säuglinge ...

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