Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Vorverfahrenskosten. Kostenerstattungsanspruch. Zurückweisung der Kostenrechnung des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts durch die Behörde wegen des Fehlens einer Abrechnung gegenüber dessen Mandanten. Anwendungsbereich des § 10 RVG. Freistellungsanspruch. Kostenlastentscheidung
Orientierungssatz
1. Bei dem Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB 10 handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch gegen die sich nicht rechtmäßig verhaltende Behörde nach einem erfolgreichen Widerspruch.
2. Der Kostenerstattungsanspruch aus § 63 SGB 10 hängt nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung ab. Vielmehr reicht es aus, wenn der Betroffene der Honorarforderung des Rechtsanwalts tatsächlich ausgesetzt ist. In diesen Fällen kann er verlangen, von der Vergütungsforderung freigestellt zu werden (vgl LSG Essen vom 5.5.2009 - L 1 AL 13/08 = AGS 2009, 443 unter Hinweis auf § 257 BGB).
3. § 10 RVG dient dem Schutz des Mandanten im Innenverhältnis zu seinem Rechtsanwalt. Ein erstattungspflichtiger Dritter (hier: Behörde) kann hingegen nicht einwenden, dass er wegen eines Verstoßes gegen § 10 RVG nicht zur Zahlung verpflichtet sei (vgl BGH vom 22.3.2011 - VI ZR 63/10 = NJW 2011, 2509).
4. Die rechtliche Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichem Kostenerstattungsanspruch und verfahrensrechtlichem Kostenanspruch führt nicht dazu, dass der Anwendungsbereich des § 10 RVG über das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt hinaus auch auf das Außenverhältnis zu einem erstattungspflichtigen Dritten auszudehnen wäre. Darüber hinaus führt sie auch nicht zu einer Unanwendbarkeit des § 257 BGB als Grundlage für den Freistellungsanspruch.
Normenkette
SGB X § 63; RVG §§ 10, 8 Abs. 1, § 14; BGB §§ 257, 670, 675
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.05.2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Freistellung des Klägers von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens in Höhe von 309,40 EUR. Streitig ist die Frage, ob die Kostenrechnung des Verfahrensbevollmächtigten des Klägers den formellen Anforderungen an eine wirksame Rechnung genügt, oder die Kosten wegen eines Verstoßes gegen § 10 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht entstanden sind.
Der am 00.00.1980 geborene Kläger steht bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Am 05.01.2009 beantragte er die Übernahme von Energieschulden. Mit Schreiben vom 24.03.2010 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer vom Kläger unterzeichneten Vollmacht vom 16.03.2010 dessen Interessenwahrnehmung an und forderte den Beklagten zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides auf. Die eingereichte Vollmacht umfasste auch die Geltendmachung von Folgeverfahren, insbesondere der Kostenfestsetzung. Beratungshilfe hat der Kläger nach eigenen Angaben nicht in Anspruch genommen. Mit Bescheid vom 14.04.2010 gab der Beklagte dem Antrag des Klägers auf Kostenübernahme teilweise statt. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, mit Schreiben vom 12.05.2010 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 23.08.2010 half der Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab.
Der Klägerbevollmächtigte mahnte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 08.09.2010 unter Bezugnahme auf die Abhilfe des Widerspruchs eine Kostenentscheidung an und übersandte eine an den Beklagten adressierte Gebührenrechnung. Die Kosten bezifferte er unter Benennung einer Rechnungsnummer, der genauen Angelegenheit und des Vertretungszeitraums wie folgt:
Geschäftsgebühr §§ 3, 14 Abs. 1 RVG i.V.m. Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Summe (Netto) 260,00 EUR 19,00 % USt. gem. Nr. 7008 VV RVG 49,40 EUR
Gesamtsumme 309,40 EUR
Mit Rundschreiben vom 19.10.2010, welches auch der Klägerbevollmächtigte erhielt, forderte der Beklagte die Verfahrensbevollmächtigten ihrer Kunden auf, die Gebührenrechnungen an die Auftraggeber zu richten und zu adressieren und dem Beklagten eine Abschrift dieser Rechnungen zur Prüfung des Erstattungsanspruches vorzulegen. Zur Begründung führte er aus, erstattungsfähig seien nur die nachgewiesenen und notwendigen Aufwendungen. Der Auftraggeber sei alleiniger Schuldner der Kostenforderung. Der Bevollmächtigte habe kein eigenes Antragsrecht.
Mit Schreiben vom 03.11.2010 ergänzte der Beklagte den Bescheid vom 23.08.2010 dahingehend, dass er die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärte. Dem Grunde nach bestehe ein Kostenerstattungsanspruch. Die Kostenrechnung vom 08.09.2010 begegne jedoch Bedenken. Zum einen sei sie nicht an den Kläger adressiert, obgleich dieser Inhaber des Erstattungsanspruches sei. Zum anderen sei der Bevollmächtigte ...