Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. Sanktion wegen Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme. Rechtslage ab 1.4.2011. Notwendigkeit eines gesonderten Aufhebungsbescheides. keine Minderung des Auszahlungsanspruchs kraft Gesetzes. keine Umdeutung des Sanktionsbescheides in einen Aufhebungsbescheid
Orientierungssatz
1. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG, wonach auch die §§ 31, 31a, 31b SGB 2 in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung nicht regeln, dass die Feststellung von Beginn, Dauer und Höhe einer Minderung des Arbeitslosengeld II zugleich die Bindungswirkung entgegenstehender Bewilligungsbescheide iS der Erledigung auf andere Weise entfallen lässt. Vielmehr bedarf es weiterhin einer formellen Umsetzung der festgestellten Minderung durch eine förmliche Aufhebungsentscheidung (Anschluss an BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R = SozR 4-4200 § 31a Nr 1).
2. Der Sanktionsbescheid kann auch nicht in einen Aufhebungsbescheid umgedeutet werden.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 21.01.2015 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.010,00 EUR zu zahlen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung von 2.010,00 EUR für den Zeitraum von April bis Juni 2013.
Der am 00.00.1984 geborene Kläger bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 04.02.2013 bewilligte der Beklagte ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.02.2013 bis 31.07.2013 in Höhe von monatlich 670,00 EUR. Mit Bescheid vom 25.03.2013 verfügte der Beklagte:
"Das Arbeitslosengeld II wird in einer weiteren Stufe um 100 % gemindert. Die Minderung umfasst nicht nur den für Sie nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarf in Höhe von 382,00 EUR, sondern auch die für Sie maßgebenden Mehrbedarfe und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die Dauer beträgt 3 Monate. Es handelt sich dabei um den Zeitraum vom 01.04.2013 bis 30.06.2013."
Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger erhalte aufgrund einer Minderung von 100 % weder den Regelbedarf noch Leistungen für Unterkunft und Heizung. Grund hierfür sei das unentschuldigte Fehlen in der Maßnahme "Praxiscenter" (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II). Der Auszahlungsanspruch mindere sich gemäß § 31b Abs. 1 SGB II mit Beginn des Kalendermonats, der auf die Wirksamkeit dieses Verwaltungsaktes folge. Die Rechtsfolgen des § 31b Abs. 1 S. 2 SGB II träten daher vom 01.04.2013 bis zum 30.06.2013 ein. Das Arbeitslosengeld II betrage in dieser Zeit monatlich 0,00 EUR. Dem Bescheid waren Berechnungsbögen beigefügt, in denen für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 30.06.2013 ein Abzug vom ermittelten Bedarf für eine Sanktion von 670,00 EUR und ein Zahlbetrag von 0,00 EUR sowie für Juli 2013 ein Zahlbetrag von 670,00 EUR unter Darstellung des Bedarfs ausgewiesen werden. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2013 als unbegründet zurück. Der Kläger erhob hiergegen keine Klage.
Am 17.08.2014 hat der Kläger im vorliegenden Verfahren Klage erhoben und die Auszahlung von 2.010,00 EUR aus dem Bescheid vom 04.02.2013 für den Bewilligungszeitraum vom 01.04.2013 bis 30.06.2013 begehrt. Der Sanktionsbescheid vom 25.03.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2013 umfasse nicht die Aufhebung der Bewilligungsbescheides vom 04.02.2013.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn aus dem Bewilligungsbescheid vom 04.02.2013 für den Zeitraum vom 04.01.2013 bis 30.06.2013 einen weiteren Betrag in Höhe von 2.010,00 EUR auszuzahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat argumentiert, dem Sanktionsbescheid sei unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Leistungen für die Dauer von drei Monaten abgesenkt werden, auch wenn § 48 SGB X nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. Die Höhe der Absenkung nach sei den dem Sanktionsbescheid beigefügten Berechnungsbögen für die Zeit der Absenkung im Gegensatz zu Monaten ohne Absenkung zu entnehmen. Hieraus ergebe sich auch eindeutig, dass sich der auszuzahlende Leistungsanspruch auf 0,00 EUR belaufe.
Mit Urteil vom 21.01.2015 hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob neben dem Erlass des Sanktionsbescheides grundsätzlich eine Aufhebungsentscheidung im Sinne von § 48 SGB X zwecks Umsetzung einer Sanktion zu treffen sei. Zur Überzeugung der Kammer beschränke sich die Entscheidung des Beklagten vom 25.03.2013 nicht auf den Erlass eines Sanktionsbescheides, sondern umfasse auch die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides gemäß § 48 SGB X. Der Bescheid sei auch hinreichend bestimmt, insbesondere habe der Beklagte auf die beigefügten Berechnungsbögen Bezug genommen. Mit diesen Berechnungsbögen, die für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum ...