Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. rückwirkende Zuerkennung von Versorgungskrankengeld. Ausschluss bei Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ausschluss bei nicht bescheidmäßig festgestelltem Dauerzustand. Ruhen von Versorgungskrankengeld bei Bezug von Verletztengeld von der gesetzlichen Unfallversicherung. kein Wiederaufleben des Versorgungskrankengelds bei Verzicht auf Verletztengeld durch gerichtlichen Vergleich

 

Orientierungssatz

1. Der Bescheid über die Gewährung von Heilbehandlung ist für Einzelleistungen der Heilbehandlung, wozu auch das Versorgungskrankengeld gehört, als Grundlagenbescheid anzusehen (vgl BSG vom 30.9.2009 - B 9 VS 3/09 R = SozR 4-3200 § 82 Nr 1).

2. Bei schädigungsbedingtem Eintritt voller Erwerbsminderung entfällt iS des § 18a Abs 7 S 1 Alt 1 BVG die schädigungsbedingte Arbeitsunfähigkeit in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf.

3. Ein Dauerzustand iS des § 18a Abs 7 S 2 BVG hindert die rückwirkende Zuerkennung von Versorgungskrankengeld, und zwar auch dann, wenn er nicht durch Bescheid festgestellt worden ist.

4. Das Ruhen des Heilbehandlungsanspruchs nach dem BVG bedeutet zugleich das Ruhen des Anspruchs auf Versorgungskrankengeld.

5. Wenn der Leistungsberechtigte sich mit dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung vergleichsweise auf eine bestimmte Dauer des Verletztengelds einigt, kann er das nachrangige (und bislang ruhende) Verletztengeld nicht über diesen Zeitraum hinaus verlangen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.08.2022; Aktenzeichen B 9 V 2/21 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.03.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Versorgungskrankengeld ab Juli 2005.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er erlernte zunächst den Beruf des Optikers, später den des Bankkaufmanns. Ab 1979 war er selbständig tätig, seit den 1980er Jahren im Außendienst für die Bausparkasse T. 1999 erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 83.205 DM, 2000 in Höhe von 85.235 DM und 2001 in Höhe von 58.938 DM.

Am 30.12.1999 hielt sich der Kläger in der Raiffeisenbank T1 auf, als diese von zwei maskierten und bewaffneten Bankräubern überfallen wurde. Der Kläger, der sich wie andere Angestellte und Besucher der Bank auf den Boden legte, wurde nicht verletzt oder unmittelbar bedroht. Die später von der Polizei ermittelten Täter wurden 2003 wegen anderer Überfälle zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Wegen des Überfalls am 30.12.1999 wurde das Verfahren nach § 154 StPO eingestellt.

Der Kläger wurde zeitnah ambulant und stationär insbesondere wegen einer PTBS behandelt. Am 09.05.2000 teilte das Deutsche Institut für Psychotraumatologie in L mit, die Behandlung sei abgeschlossen. Es liege keine Störung mit Krankheitswert mehr vor. Nach einer Wiedereingliederung begab sich der Kläger ab September 2000 erneut in therapeutische Behandlung. Ab April 2001 wurde er wieder arbeitsunfähig. Zum Ende des Monats Januar 2002 beendete der Kläger sein Vertragsverhältnis mit der Bausparkasse T und erhielt einen Ausgleich in Höhe von 111.571 DM.

Die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft, die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), erkannte den Überfall als Arbeitsunfall an und zahlte eine Verletztenrente zunächst vom 02.05.2000 bis zum 30.04.2002, ab dem 01.09.2000 in Höhe von 1.227,10 EUR monatlich. Auf Grundlage insbesondere eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 16.02.2005 erkannte die VBG mit Bescheid vom 26.07.2005 als Unfallfolgen eine chronifizierte PTBS mittlerer Ausprägung mit Verschlimmerung eines vorbestehenden Tinnitus links und Tinnitus rechts an und gewährte dem Kläger Rentenleistungen auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. Ab März 2005 betrug die monatliche Rentenhöhe 1.266,64 EUR. Wegen späterer Steigerungen wird auf das Schreiben der VBG an den Beklagten vom 14.09.2010 Bezug genommen. Dr. P hielt den Kläger für dauerhaft arbeitsunfähig wegen des Arbeitsunfalls. Es sei nicht absehbar, dass der Kläger wieder arbeitsfähig werde. Die VBG gewährte dem Kläger zunächst Verletztengeld bis zum 01.05.2000 und dann wieder vom 18.04.2001 bis zum 06.05.2002 (anfänglich in Höhe von kalendertäglich 163,61 EUR). 2005 gewährte sie Verletztengeld rückwirkend bis zum 15.10.2002 und aufgrund eines Vergleichs vom 10.12.2007 in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren (S 18 U 303/05 - die Akten wurden zwischenzeitlich ausgesondert) schließlich mit Bescheid vom 31.01.2008 über den 15.10.2002 hinaus bis zum 30.06.2005 in Höhe von zuletzt kalendertäglich 174,56 EUR (monatlich 5.236,80 EUR). Die Nachzahlungen wurden entsprechend verzinst.

Das Versorgungsamt L stellte mit Bescheid vom 12.04.2002 unter Berücksichtigung diverser Erkrankungen und Änderung eines früheren Bescheides v...

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