Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücküberweisung von für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf dessen Konto überwiesenen Rentenleistungen durch das Geldinstitut bei durchgehend im Soll befindlichem Konto und Gewährung eines Dispositionskredits. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Rücküberweisung von für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf dessen Konto überwiesenen Rentenleistungen durch das Geldinstitut bei durchgehend im Soll befindlichem Konto und Gewährung eines Dispositionskredits.

2. Die Rücküberweisungspflicht des Geldinstitutes entfällt auch dann nicht, wenn andere Personen, wie zB Erben des Leistungsberechtigten, ebenfalls Vermögensvorteile aus dem überwiesenen Rentenbetrag erlangt haben (entgegen BSG vom 9.12.1998 - B 9 V 48/97 = BSGE 83, 176 = SozR 3-2600 § 118 Nr 4).

3. § 55 Abs 1 S 1 SGB 1 ist bei nach dem Tode des Berechtigten überzahlten Renten auf Grund des § 118 Abs 3 SGB 6 nicht anwendbar.

4. Die dem Geldinstitut mit § 118 Abs 3 SGB 6 auferlegte Rückzahlungspflicht verstößt nicht gegen das GG.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 414,30 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückzahlung von 413,30 Euro. Diese Summe ist ein Teilbetrag aus einer Rentenüberweisung für den Monat Oktober 2004 an die bei der Klägerin versicherte B T (im Folgenden: Leistungsberechtigte). Die Leistungsberechtigte unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto (Kto 000). Dem Girovertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2000 zugrunde (im Folgenden: AGB Postbank). Am 28.09.2004 starb die Leistungsberechtigte. Über eine Erbfolge ist nichts bekannt. Am 30.09.2004 wurde der Leistungsberechtigten der monatliche Zahlbetrag der von der Klägerin geleisteten Rente in Höhe von 802,20 Euro auf dem Konto gutgeschrieben. Zum Zeitpunkt der Gutschrift wies das Konto ein Minus von 1080,60 Euro auf. Anschließend wurden vom Konto per Lastschrifteinzug folgende Abbuchungen vorgenommen.

30.09.2004 RWE 78,00 Euro 01.10.2004 Gothaer 7,62 Euro 04.10.2004 V Versicherung 8,15 Euro 05.10.2004 LEG NRW 308,96 Euro 05.10.2004 Telekom 16,89 Euro.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 05.10.2004 zur Rückzahlung von 796,88 Euro auf (Berechnung: monatlicher Rentenbetrag abzüglich Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Bei Eingang dieses Schreibens wies das Konto der Leistungsberechtigten ein Minus von 716,34 Euro auf. Die Beklagte erstattete der Klägerin 382,58 Euro und lehnte eine Zahlung i.ü. unter Hinweis auf die o.g. Lastschriften zugunsten Dritter in Höhe von insgesamt 414,30 Euro ab. Insoweit sei sie entreichert. Sie versicherte, keine Verrechnung mit eigenen Forderungen vorgenommen zu haben.

Der daraufhin erhobenen Klage der Klägerin hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Urteil vom 16.01.2006 in vollem Umfang stattgegeben und sich dabei zur Begründung auf die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 118 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gestützt (BSG Urteile vom 09.02.2002 - B 4 RA 64/01 R - ; vom 08.06.2004 - B 4 RA 42/03 R -). Danach sei es der Beklagten verwehrt, sich nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI auf den Einwand der Entreicherung zu berufen. Bei dem durchgehend im Soll befindlichen Konto seien die von der Beklagten ausgeführten Verfügungen im Rahmen des eingeräumten Überweisungskredites ausgeführt worden. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das am 26.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.02.2006 Berufung eingelegt.

Sie trägt ergänzend vor, die Auffassung des 4. Senats des BSG schließe den Personenkreis der Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI von einem Wert-Bezug zur Rentenzahlung, also von einem rechtlich relevanten inneren Zusammenhang mit dem zu Unrecht geleisteten Rentenbetrag aus. Zutreffend sei vielmehr, dass die Bank erst im Hinblick auf die eingegangene Rente den Verfügungsrahmen für anderweitige Verfügungen zugunsten Dritter zugelassen habe. Komme es für den Rücküberweisungsanspruch gegen die Bank darauf an, ob sich das Konto im Soll befinde, so bestehe die sozialpolitisch nicht gewünschte Gefahr, dass die Kreditinstitute zur Begrenzung ihres Haftungsrisikos Rentenempfängern keine Dispositionskredite mehr einräumten. Der Gesetzeswortlaut aber auch Grundsätze der historischen und teleologischen Auslegung des § 118 Abs. 3 Sätze 3 und 4 SGB VI stünden der vom 4. Senat des BSG vertretenen, am Kontostand orientierten Ausdehnung des Haftungsrahmens der Bank entgegen. Vor dem Hintergrund der Regelung des § 55 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB I) i.V.m. § 394 BGB sei das Geldinstitut verpflichtet, in dem sich aus § 55 Abs 4 ergebenden Umfang Verf...

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