Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erstattung der Anschaffungskosten für einen Assistenz-/Blindenführhund nach dem Opferentschädigungsgesetz

 

Orientierungssatz

1. Nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB 12 i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB 9 gehören zu den Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Zentrale Eingangsvoraussetzung für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB 12 ist die Wesentlichkeit einer Behinderung der Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben.

2. Entscheidend ist, wie sich die Beeinträchtigungen auf die Teilhabemöglichkeit auswirken. Seelische Störungen müssen in einer solchen Breite, Tiefe und Dauer vorliegen, dass die Teilhabe des Behinderten am Leben in der Gesellschaft zumindest wesentlich beeinträchtigt zu werden droht.

3. Das Ziel der Hilfe beim ambulant betreuten Wohnen liegt in der Verselbständigung der Lebensführung des behinderten Menschen in seinem Wohn- und Lebensumfeld (BSG Urteil vom 30. 6. 2016, B 8 SO 7/15 R). Sind wohnungsbezogene Hilfen nicht notwendig, um den Behinderten zu befähigen, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohn- und Lebensbereich möglichst selbständig vorzunehmen, so sind Leistungen der Eingliederungshilfe im Rahmen des betreuten Wohnens nicht zu bewilligen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.04.2019; Aktenzeichen B 8 SO 86/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen des ambulant betreuten Wohnens in der Zeit vom 22.11.2013 bis 30.11.2015.

Für den am 00.00.1970 geborenen, vermögenslosen Kläger - gelernter Maler und Lackierer und bis Ende 2012 in diesem Beruf beschäftigt -, der im streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II bezog und alleine in einer 47 m² großen Zweizimmerwohnung in L lebt, erreichte den Beklagten am 22.11.2013 eine Aufnahmeanzeige des beigeladenen Leistungserbringers. Danach werde der Kläger im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens seit dem 22.11.2013 betreut. Es liege eine psychische Behinderung vor. Des Weiteren wurde eine fachärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters S eingereicht, in der ausgeführt wird, der Kläger leide an einer Anpassungsstörung und einer mittelgradigen depressiven Episode. Die Behinderung sei von Dauer (länger als 6 Monate) und es bestehe eine Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die durch eine depressive Stimmungslage sowie Überforderungserleben bedingt sei. Gleichfalls unter dem 22.11.2013 schloss der Kläger mit den Beigeladenen eine "Betreuungsvereinbarung", auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Zwischen den Beigeladenen und dem Beklagten bestehen zudem Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII.

Am 16.01.2014 wurde über die Beigeladenen die individuelle Hilfeplanung für die Zeit vom 22.11.2013 bis 30.11.2015 übersandt, die einen Hilfebedarf für den Kläger von insgesamt zwei Fachleistungsstunden wöchentlich ausweist. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der entsprechenden Unterlagen Bezug genommen. Ferner wurden der Sozialhilfegrundantrag sowie ein ärztlicher Entlassungsbericht der Rheinischen Landesklinik L vom 06.11.1992 über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 20.08.1992 bis 31.08.1992 bei dem Beklagten eingereicht.

Nach Einholung einer Stellungnahme seines medizinisch-psychosozialen Dienstes lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2014 den Antrag des Klägers auf Leistungen für betreutes Wohnen ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine hier allein zu prüfende wesentliche seelische Behinderung dann vorliege, wenn infolge einer psychischen Störung oder Krankheit die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt sei. Wesentliche Einschränkungen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ließen sich aus den eingereichten Antragsunterlagen nicht ersehen. So würden im eingereichten Hilfeplan Probleme im Umgang mit dem Jobcenter geschildert, wobei der aktuelle Konflikt mithilfe einer Clearingstelle (L-N "D") habe gelöst werden können. Weiterhin werde der geringe Kontakt zu familiären Bindungen als Problem aufgeführt. Es bestünden aber gefestigte nachbarschaftliche Kontakte und Freundschaften. Weiterhin würden im Hilfeplan Probleme mit dem Schriftverkehr, dem Tagesrhythmus sowie der Wunsch nach mehr sportlichen Freizeitaktivitäten aufgeführt. Der Kläger verfüge über sämtliche Fähigkeiten der Haushaltsführung sowie über eine langjährige Berufserfahrung als Maler. Damit ließen sich aus den Unterlagen wesentliche Einschränkungen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht ersehen. Eine wesentliche seelische Behinderung bestehe somit nicht. Leistungen der Eingliederungshilfe seien auch nicht...

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