nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Plavix. Clopidogrel. Acetylsalicylsäure. Analogpräparate. Therapiehinweis. Kosten-Nutzen-Bewertung. Preisvergleichsliste. Festbetrag. Bindungswirkung. Wettbewerb. Wirtschaftlichkeit. Allgemein anerkannter Stand der medizinischen Erkenntnisse. Patentschutz. Vertragsarzt. Leistungserbringer. Pharmazeutisches Unternehmen. Legitimationskette. Normsetzungsprogramm. Demokratieprinzip. Satzungsautonomie. Richtlinienkompetenz. Außenseitererstreckung. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Grundrechtseingriff. Berufsfreiheit. Berufsregelnde Tendenz. Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arzneimittelhersteller kann sich im Wege der Anfechtungsklage gegen einen Therapiehinweis des Gemeinsamen Bundesausschusses wehren, in dem eine Kosten-Nutzen-Bewertung eines von ihm produzierten Medikaments vorgenommen wird. Wegen des Eingriffs in seine Berufsfreiheit ist der Hersteller klagebefugt.
2. Es besteht keine gesetzliche Grundlage, die den Gemeinsamen Bundesausschuss ermächtigt, in einem Therapiehinweis eine Kosten-Nutzen-Bewertung eines einzelnen Arzneimittels vorzunehmen.
Normenkette
SGB V § 34 Abs. 4, § 35 Abs. 1 S. 3, Abs. 1a, §§ 35b, 73 Abs. 8, § 91 Abs. 1, 9, § 92 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 6, Abs. 2-3, §§ 139a, 139b; SGG §§ 96, 99; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 14; Arzneimittel-Richtlinien Nr. 14
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Der Beschluss des Beklagten vom 15.06.2004 - Therapiehinweis zu Clopidogrel in der Anlage 4 nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien - wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, diese Aufhebung im Bundesanzeiger bekannt zu machen.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Beklagten vom 16.02.2000 - Therapiehinweis zu Clopidogrel in der Anlage 4 nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien - rechtswidrig war.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit und des Vorhandenseins einer Rechtsgrundlage über die Rechtmäßigkeit eines Therapiehinweises nach Nr. 14 der Arzneimittel-Richtlinien (AMR) des Beklagten.
Die Klägerin ist Herstellerin des Fertigarzneimittels Plavix® mit dem Wirkstoff Clopidogrel, einem Thrombozyten-Aggregationshemmer. Das Präparat wird eingesetzt zur Sekundärprävention artherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK). Die Wirksamkeit von Clopidogrel im Vergleich mit den Wirkstoffen Acetylsalicylsäure sowie Ticlopidin ist durch die 1996 publizierte CAPRIE-Studie belegt worden. Zu Lasten der gesetzlichen Kankenkassen wurde Plavix® im Jahre 2001 im Umfang von ca. 110 Millionen Euro, im Jahre 2003 von ca. 190 Millionen Euro verordnet.
Der Beklagte beschloss den zunächst streitig gewesenen Therapiehinweis nach Ziffer 14 AMR vom 16.02.2000 (Bundesanzeiger Nr. 102 vom 30.05.2000, S. 10094), in dem Indikation, Wirkung und Wirksamkeit von Clopidogrel beschrieben wurden. Darin gab der Beklagte eine Empfehlung zur wirtschaftlichen Verordnungsweise des Inhalts ab, dass angesichts der fast identischen Wirksamkeit von Clopidogrel und ASS sowie der hohen Kosten die Indikationsstellung für Clopidogrel sehr restriktiv erfolgen sollte, zumal Langzeiterfahrungen bzw. Studienergebnisse über eine lebenslange Einnahme noch nicht vorlägen. Nach wie vor sollte ASS zur prophylaktischen Behandlung von Zuständen nach Myokardinfarkt oder ischämischem Insult im Sinne der Verhinderung eines Zweitereignisses verwendet werden, ausgenommen seien dabei nur die durch ASS ausgelösten Unverträglichkeitserscheinungen. Clopidogrel stelle zusammenfassend eine Alternative zu ASS für die Langzeitanwendung als Trombozytenaggregationshemmer dar, wobei die geringfügig bessere Wirksamkeit bei unterschiedlichem Nebenwirkungsprofil anzuführen sei, jedoch die erheblich höheren Kosten zu berücksichtigen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den veröffentlichten Text Bezug genommen.
Hiergegen hat sich die vor dem Sozialgericht Köln am 29.06.2000 erhobene Klage gerichtet, mit deren Begründung die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht hat, die Aussage einer fast identischen Wirksamkeit sei unrichtig. Clopidogrel zeige bei Risikopatienten mit PAVK eine um 24 v. H. bessere Wirksamkeit, darüber hinaus müssten Indikationsunterschiede bei Clopidogrel gegenüber ASS aufgeführt werden. Die Gegenüberstellung der Behandlungskosten beruhe nicht auf einer pharmaökonomischen Nutzenanalyse. Der Einsatz von Clopidogrel sei nicht teurer als der von ASS, weil durch Clopidogrel bei Hochrisikopatienten zahlreiche entsprechend höhere Behandlungskosten eingespart werden könnten.
Der Beklagte hat hierzu die Auffassung vertreten, die Überlegenheit von Clopidogrel ...