Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Fahrkosten zu einer Methadonbehandlung
Orientierungssatz
Bei Fahrkosten im Zusammenhang mit einer Methadonsubstitution unter ärztlicher Aufsicht handelt es sich um einen unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.09.2014 wird geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2013 verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 15.05.2012, 27.07.2012, 21.11.2012 und 21.01.2013 für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.05.2013 einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II in Höhe von 29,90 EUR monatlich zu gewähren.
Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu einem Viertel.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in der Zeit von August 2012 bis Mai 2013 im Streit; der Kläger macht höhere Fahrkosten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Zusammenhang mit einer Methadon - Substitutionsbehandlung und regelmäßigen Arztterminen geltend.
Der 1981 geborene Kläger leidet unter den Auswirkungen u.a. einer Hepatitis C -Erkrankung und einer HIV - Infektion. Seine Eltern sind verstorben, nach eigenen Angaben hat er auch keine weiteren nahen Angehörigen. Nach seiner Haftentlassung im März 2012 wohnte er im C. D. - Haus, einer stationären Einrichtung der Wohnungshilfe in Trägerschaft der Caritas. Durch Bescheid vom 15.05.2012, geändert durch Bescheid vom 27.07.2012 bewilligte der Beklagte ihm für die Zeit vom 07.05.2012 bis 30.11.2012 und durch Bescheid vom 21.11.2012, geändert durch Bescheid 21.01.2013 für die Zeit vom 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 Arbeitslosengeld II in Höhe von 717,40 EUR monatlich (Regelbedarf 374 EUR; Mehrbedarf für Ernährung 37,40 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung 306,00 EUR).
Am 29.11.2012 beantragte der Kläger die Übernahme von Fahrkosten für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 01.08.2013 im Zusammenhang mit seiner Substitutionsbehandlung. Er müsse täglich morgens zur Methadon - Ambulanz der Krisenhilfe in C., um die Substitutionsbehandlung durchzuführen. Zur Behandlung der Hepatitis C-Erkrankung und der HIV-Infektion müsse er zusätzlich alle 14 Tage in das T. K. - Hospital in C. Die Fahrkosten bezifferte er mit 144,00 EUR monatlich (7 Tage pro Woche je 4,80 EUR Hin- und Rückfahrt zur Substitution; 2 x im Monat 4,80 EUR Hin- und Rückfahrt zum T. K.-Hospital). Er bekomme vom Träger des Wohnheimes nur ein Taschengeld ausgezahlt. Die Übernahme der Fahrkosten durch einen "Taxischein" habe seine Krankenkasse nicht bewilligt. Es bestehe deshalb eine besondere Bedarfslage, die durch den Regelsatz nicht abgedeckt sei. Der Bedarf sei unabweisbar, da er auf die Behandlung angewiesen sei.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vorn 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013 mit der Begründung ab, die geltend gemachten Fahrkosten seien schon objektiv nicht erforderlich, da die Möglichkeit bestehe, für das Gebiet der Stadt C. ein Sozialticket zum Preis von 29,90 EUR monatlich zu erwerben. Diese Kosten seien aus der Regelleistung zu tragen. Der Kläger könne sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die ihm bewilligten Sozialleistungen an den Träger seiner Wohneinrichtung überwiesen würden und er nur ein Taschengeld zur freien Verfügung habe. Der Träger der Wohneinrichtung könne vom Alg II nur Einbehaltungen machen, soweit er Sachleistungen erbracht habe, die ansonsten aus der Regelleistung zu tragen wären. Bei Unklarheiten sei der Träger ggf. zur Rechnungslegung verpflichtet. Die Kosten für Unterkunft und Heizung würden besonders abgerechnet und dem Träger der Einrichtung überwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 30.04.2013 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Wegen seiner Unterbringung stehe ihm nicht der gesamte Regelbedarf zur Verfügung. Von seinem Taschengeld (103,14 EUR) und Bekleidungsgeld (38,10 EUR) könne er die Kosten für ein Sozialticket nicht aufbringen. Die Kosten für das Ticket überstiegen auch den in Abteilung 7 der Verbrauchsausgaben errechneten Anteil von 6,3 % erheblich. Nachweise für angefallene Fahrtkosten könne er nicht vorlegen. Manchmal sei er ohne Fahrschein gefahren, einige Termine habe er auch ausfallen lassen müssen. Gelegentlich habe ihn ein Mitarbeiter des Hauses mit in die Stadt genommen. Konkrete Angaben könne er nicht machen.
Das SG hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden und die Klage durch Urteil vom 12.09.2014 abgewiesen. Angefochten sei der Bescheid des Beklagten vom 07.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2013. Der Kläger habe den Streitgegenstand insoweit beschränkt, als Kosten der Unterkunft nicht im Streit stünden. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Übrigen ließen sich in...