Orientierungssatz
1. Lässt ein bei Gericht eingegangenes Schriftstück keinen ausreichenden Willen erkennen, gerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen zu wollen, so stellt es lediglich einen Entwurf dar, welcher den Anforderungen einer wirksamen Klageerhebung nach § 90 SGG nicht genügt.
2. Es muss gewährleistet sein, dass eine gewollte Prozesserklärung vorliegt, dass diese von einer bestimmten Person herrührt und diese Person für den Inhalt die Verantwortung übernimmt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 25.09.2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 1.274,13 EUR.
Tatbestand
Im Streit ist eine Forderung auf Rückerstattung einer geleisteten Krankenhausvergütung in Höhe von 1.274,13 EUR.
Die bei der Klägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, Versicherte R wurde im Zeitraum vom 22.07. - 22.09.2014 vollstationär im Krankenhaus G behandelt, dessen Trägerin die Krankenhaus G GmbH ist, die zur Holding der Beklagten gehört.
Am 08.11.2018 ist ein als Klage bezeichnetes, undatiertes Schriftstück bei dem Sozialgericht Duisburg (SG) eingereicht worden, mit dem die Klägerin eine Forderung in Höhe von 14.410,54 EUR gegen die Beklagte geltend gemacht hat. Dieses Schriftstück ist nicht auf dem von der Klägerin üblicherweise verwendeten Briefkopf gedruckt, enthält kein Aktenzeichen, keinen Namen oder Kürzel eines Bearbeiters und keine Unterschrift. Weiterhin sind in dem Schriftstück bestimmte Textpassagen grau hinterlegt, im Einzelnen: Die Angabe des Sozialgerichts sowie dessen Fax-Nummer, Name und Anschrift der Beklagten, Name und Geburtsdatum der Versicherten, die Dauer des stationären Aufenthaltes, die "Leistungserbringer-IK", die "KV-Nr." sowie der Rückforderungsbetrag. In dem Schriftstück wird Bezug genommen auf "die übersandte Verwaltungsakte" der Klägerin. Eine solche war dem Schriftstück jedoch nicht beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 23.01.2019 hat die Klägerin, diesmal unter Verwendung ihres Briefkopfs und Angabe eines Aktenzeichen sowie des Namens der Sachbearbeiterin, und versehen mit Unterschrift und Stempel erklärt, dass sie den Rückforderungsbetrag auf 1.274,13 EUR ändere.
Unter dem 29.03.2019 haben sich die Prozessbevollmächtigten für die Klägerin bestellt und - auf eine entsprechende Rüge der Beklagten - eine Rubrumsberichtigung, hilfsweise eine Klageänderung beantragt. Klagegegner sollte nicht die Beklagte, sondern die Krankenhaus G GmbH (G GmbH) sein. Dies sei anhand der "Leistungserbringer IK" eindeutig erkennbar. Hilfsweise sei eine Klageänderung sachdienlich und wirke im Falle eines Beteiligtenwechsels fristwahrend auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück.
Die Klage sei am 08.11.2018 formwirksam erhoben worden. Eine Unterschrift sei nach § 92 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zwingend erforderlich. Aus einem fehlenden Briefkopf könne nicht auf einen fehlenden Willen zur Klageerhebung geschlossen werden. Ebenso sei unerheblich, dass die Klage nicht per Fax, sondern per Boten zu Gericht gelangt sei.
Die Beklagte hat in der Folge einer Berichtigung des Rubrums sowie einer Klageänderung durch Beteiligtenwechsel widersprochen.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2019 als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, dass keine wirksame Klageerhebung vorgelegen habe. Das am 08.11.2018 eingegangene Schriftstück lasse keinen ausreichenden Willen erkennen, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen, sondern stelle lediglich einen Entwurf dar. Unbeschadet dessen scheide auch eine Rubrumsberichtigung aus, da es sich um zwei verschiedene juristische Personen handle und keine Falschbezeichnung sondern ein Irrtum vorliege aus. Die nicht konsentierte Klageänderung komme mangels Sachdienlichkeit nicht in Betracht.
Gegen den ihr am 30.09.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.10.2019 Berufung eingelegt.
Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass bei der Auslegung des Schriftstücks vom 08.11.2018 die Umstände der Ende 2018 kurzfristig geplanten Einführung von modifizierten Verjährungs- und Ausschlussregeln durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz zu berücksichtigen seien. Die Klägerin sei Anfang November 2018 gezwungen gewesen, innerhalb von nur zwei Tagen (zwischen der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses und dem Inkrafttreten der gesetzlichen Ausschlussfrist) mehrere hundert Klagen auf Rückzahlung von geleisteten Krankenhausvergütungen rechtshängig zu machen, damit es nicht zu einer Verjährung der Erstattungsansprüche komme. Aus diesem Zeitdruck seien die unübliche Form der Klageschrift sowie die Falschbezeichnung der Beklagten erklärlich. Die Formvorgaben seien nicht zwingend und der Wille der Klägerin, gerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen zu wollen, sei unzwe...