Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung für kinderlose Eheleute
Orientierungssatz
Die Höhe der Regelleistung für kinderlose Eheleute ist vom Gesetzgeber in verfassungskonformer Höhe festgesetzt. Dabei hat er das von ihm sicherzustellende soziokulturelle Existenzminimum mit 90 % der allgemeinen Regelleistung hinreichend berücksichtigt. Die von ihm gewählte Bedarfsermittlung ist nicht zu beanstanden, weil sie in einer für Massenverfahren zulässigerweise typisierenden Form in die Bemessung der Regelleistungen eingeflossen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.03.2006 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern für die erste Jahrehälfte 2005 zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1961 bzw. 1967 geborenen Kläger sind Eheleute. Sie waren im streitigen Zeitraum erwerbsfähig und ohne eigenes Einkommen oder anrechnungsfähiges Vermögen. Sie bewohnten gemeinsam eine Wohnung.
Am 29.12.2004 beantragten sie die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ausweislich ihrer Angaben im Feststellungsblatt betreffend die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung betrugen ihre Mietkosten monatlich 154,60 EUR zzgl. Heizkosten von 30,68 EUR und Nebenkosten von 7,67 EUR (Summe: 192,95 EUR).
Mit Bescheid vom 06.01.2005 (Exemplar in der Verwaltungsakte der Beklagten falsch datiert auf den 04.01.2005) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2005 bewilligte die ARGE i.G. der Agentur für Arbeit und der Stadt C den Klägern für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2005 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 814,95 EUR. Darin enthalten waren für jeden der Kläger eine Regelleistung von 311,00 EUR, ferner 96,47 EUR bzw. 96,48 EUR (zusammen 192,95 EUR) Kosten für Unterkunft und Heizung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger zu 1 am 02.05.2005 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 11.02.2006 hat er erklärt, die Klage auch für die Klägerin zu 2 erhoben zu haben. Die Kläger haben vorgetragen, der Kläger zu 1 habe bis zum 31.12.2004 Unterhaltsgeld sowie Arbeitslosenhilfe nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i.H.v. zuletzt 859,50 EUR bezogen. Die Klägerin zu 2 habe parallel dazu 298,00 EUR Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhalten. Mit der Klage wendeten sie sich gegen eine Bedarfsunterdeckung bei der Regelleistung, ausgelöst durch einen manipulativen Umgang des Gesetzgebers mit der Statistik i.S. einer freihändigen Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II. Ab dem 01.01.2005 sei mit dem Arbeitslosengeld II nur eine pauschale Regelleistung auf Sozialhilfeniveau ohne Anknüpfung an den früheren Verdienst und ohne Übergangsregelungen zur Abfederung sozialer Härten gewährt worden. Nach den Berechnungen von Sozialverbänden wie dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband seien die Regelleistungen deutlich zu niedrig bemessen und führten zu einer verfassungswidrigen Unterdeckung um etwa 19 %. Frommann (Warum nicht 627 Euro? Zur Bemessung des Regelsatzes der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für das Jahr 2005, NDV 2004, 246 - 254) habe eine notwendige Regelleistung gar i.H.v. monatlich 627,00 EUR ermittelt; der Gesetzgeber habe sich demgegenüber am Einkommen nicht adäquater Haushalte orientiert. Zudem gebe es keine Öffnungsklausel für individuell abweichende Bedarfe, was unzumutbare soziale Härten zur Folge habe; die Möglichkeit eines anschließend mit 10 % der Regelleistung zu tilgenden Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II führe nur zu weiterer, zeitlich gestreckter Unterdeckung. Als Sanktion könne die unzureichende Regelleistung dann auch noch gekürzt werden. Schließlich werde die Regelleistung für Eheleute auch noch auf 90 % gesenkt. Diese fatale Unterdeckung des täglichen Bedarfs ohne Öffnungsklausel oder ergänzende andere Sozialleistungen verstoße gegen die Menschenwürde, das Gebot körperlicher Unversehrtheit und das Verbot der gleichheitswidrigen Schlechterstellung des Leistungsbeziehers sowie gegen das Sozialstaatsprinzip. Wegen der stark reduzierten Leistungsstrukturen seien die Leistungen nach dem SGB II nicht armutsfest; sie gewährten nicht das Existenzminimum. Die Kläger haben zur Stützung ihres Vorbringens zahlreiche Unterlagen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird (u.a. Aufsatz von Frommann, a.a.O.; Stellungnahme des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom 30.01.2004 an das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zum Entwurf der Regelsatz-VO zum SGB XII sowie eine Broschüre des Verbandes mit dem Titel "Zum Leben zu wenig ...", Für eine offene Diskussion über das Existenzminimum beim Arbeitsloseng...