Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Erweiterung des Bemessungszeitraumes in Sonderfällen. Teilzeitvereinbarung. Beendigung des Vollzeitarbeitsverhältnisses im Rahmen des Gleitenden Ruhestandes. Rentenbezug. Aufnahme von zwei Teilzeitbeschäftigungen. Beendigung einer Teilzeitbeschäftigung. Gleichbehandlung

 

Orientierungssatz

1. § 131 Abs 2 Nr 2 SGB 3 findet nur Anwendung, wenn innerhalb eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Teilzeitvereinbarung und Verringerung der Arbeitszeit bei demselben Arbeitgeber vereinbart wurde. Bei Aufgabe einer von mehreren Teilzeitbeschäftigungen (hier bei verschiedenen Arbeitgebern) liegt keine Verminderung der Arbeitszeit iS dieser Vorschrift vor.

2. Arbeitslose, bei denen die ursprüngliche Vollzeitbeschäftigung und der Abschluss der Teilzeitvereinbarung bei demselben Arbeitgeber länger als dreieinhalb Jahre zurückliegt und bei denen die Teilzeitvereinbarung neben der Zahlung einer Abfindung Bestandteil einer Ruhestandsregelung war, sind nicht mit Arbeitslosen gleichzubehandeln, bei denen die Teilzeitvereinbarung entsprechend dem Gesetzeszweck der Sicherung der Weiterbeschäftigung und Vermeidung von Arbeitslosigkeit diente.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen B 7 AL 96/02 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).

Der Kläger war vom 01.01.1969 bis 31.12.1994 bei der Firma I vollzeitbeschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zu diesem Zeitpunkt wegen einer vorgezogenen Pensionierung im Rahmen des Gleitenden Ruhestandes. Ab 01.01.1995 begann auf Grund eines neuen Arbeitsvertrages vom 22.04.1994 ein Arbeitsverhältnis im Rahmen des Gleitenden Ruhestandes mit einer Arbeitszeit von 19 Stunden und einer Reduzierung des Gehaltes auf 4.594,-- DM monatlich -- befristet bis zum 30.09.1997. Der Kläger schied aus diesem Arbeitsverhältnis zum 31.12.1995 durch Aufhebungsvertrag aus. Mit Wirkung ab 01.01.1995 hatte der Kläger gleichzeitig auch ein Arbeitsverhältnis bei seiner Ehefrau als kaufmännischer Angestellter mit 20 Stunden wöchentlich und einem Monatsbruttogehalt von 2.500,-- DM aufgenommen, das zum 31.12.1998 endete.

Er meldete sich am 01.01.1999 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm dieses mit Bescheid vom 13.01.1999 ausgehend von einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 2.500,-- DM. Es ergab sich hieraus ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt in Höhe von 580,-- DM, das zu einem wöchentlichen Leistungsbetrag in Höhe von 274,68 DM (Leistungsgruppe c/o) führte. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid am 28.01.1999 Widerspruch. Er führte zur Begründung aus, es sei nicht allein auf sein Gehalt aus der Teilzeitbeschäftigung bei seiner Ehefrau abzustellen, sondern auch das erzielte Gehalt in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.1995 einzubeziehen, in der er bei der Firma I in einer weiteren Teilzeitbeschäftigung gearbeitet habe. Dies ergebe sich aus § 131 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch -- Arbeitsförderung -- (SGB III), weil er nach dem Ausscheiden aus der Firma I ab 01.01.1996 die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund einer Teilzeitvereinbarung auf mehr als 5 Wochenstunden und weniger als 80 v.H. der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit nicht nur vorübergehend vermindert habe. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 19.04.1999 zurück. Sie führte aus, die Vorschrift finde auf den Kläger keine Anwendung, da er und seine Ehefrau keine Teilzeitvereinbarung getroffen hätten. Er habe vielmehr von Beginn dieses Arbeitsverhältnisses an eine Reduzierung vorgenommen (abgesandt am 19.04.1999).

Hiergegen richtet sich die am 19.05.1999 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, die Verminderung der Arbeitszeit müsse nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht durch eine Teilzeitregelung im Rahmen eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgen. Es sei vielmehr ausreichend, dass er seine Arbeitszeit durch die Beendigung einer von zwei Teilzeitbeschäftigungen vermindere. Eine andere Auslegung verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Denn es beständen keine sachlichen Unterschiede zwischen einem Beschäftigten, der seine Arbeitszeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit 39 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden reduziere und einem Beschäftigten, der wie der Kläger seine Arbeitszeit von 39 Wochenstunden auf zwei Arbeitsverhältnisse verteile und davon eins aufgebe. Eine Ungleichbehandlung beider Fallgruppen sei daher nicht gerechtfertigt.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 13.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.04.1999 sowie die Änderungsbescheide vom 26.01. (Dynamisierung) und 26.07.2000 (pauschale Erhöhung des Leistungssatzes) teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosengeld auf Grund eines Bemessungszeitraumes zu bewilligen, bei dem die Zeit ab 01.01.1996 außer Betracht bleibt.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweise...

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