Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Regelbedarf. Höhe bei gemischter Bedarfsgemeinschaft mit Leistungen nach dem AsylbLG beziehendem Ehegatten

 

Orientierungssatz

1. § 20 Abs 4 SGB 2 erfasst nur die Konstellation, dass beide volljährigen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft dem Leistungssystem des SGB 2 unterfallen (vgl BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R = BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16 zur Vorgängervorschrift des § 20 Abs 3 SGB 2 aF).

2. Eine Vergleichbarkeit zwischen den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und den Grundleistungen nach dem AsylbLG besteht schon deshalb nicht, weil das eine Leistungssystem von dem Konzept pauschalierter, also abstrakter Bedarfsdeckung ausgeht, während dem anderen eine konkret-individuelle Bedarfsdeckung durch Sachleistungen zugrunde liegt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.10.2017; Aktenzeichen B 4 AS 37/16 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08.12.2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Gewährung eines Regelbedarfs nach § 20 Abs. 2 SGB II i.H.v. 391,00 Euro für den Monat September 2014.

Der 1950 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und bezog bis zum 31.07.2012 laufend Leistungen nach dem AsylbLG. Im Jahre 2012 erhielt der Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die durchgehend verlängert wurde. Seit dem 01.08.2012 bezieht er laufend Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Die Familie war in den Jahren 2013 und 2014 in einem Übergangswohnheim untergebracht. Das Warmwasser wurde über die Heizung erzeugt. Ab dem 01.01.2014 forderte die Stadt I von dem Kläger und seinen drei Familienangehörigen die Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 376,95 Euro monatlich (196,95 Euro Miete und 180,00 Euro Heizkosten). Zusätzlich machte die Stadt I Stromkosten i.H.v. 85,00 Euro monatlich geltend. Der Anteil an den Stromkosten für die volljährigen Mitglieder der Familie (Kläger, Ehefrau und volljähriger Sohn) betrug jeweils 25,00 Euro.

In dem Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.10.2014 bezogen die Ehefrau des Klägers und seine beiden Kinder, die eine Duldung nach § 60a AufenthG besaßen, von der Stadt I durchgehend Leistungen nach § 3 AsylbLG. Mit Bescheid vom 21.08.2014 bewilligte die Stadt I u.a. der Ehefrau des Klägers eine Grundleistung i.H.v. 326,00 Euro. Die Grundleistung wurde i.H.v. 126,00 Euro bar ausgezahlt und im Übrigen nach Abführung der Stromkosten von 25,00 Euro an die Stadt I in Form von Wertgutscheinen (175,00 Euro) ausgegeben. Die Wertgutscheine waren gestückelt i.H.v. jeweils 10,00 Euro bis 30,00 Euro. Auf den Wertgutscheinen war vermerkt, dass sie für den Bezug von Lebensmitteln, Kleidung und Waren des täglichen Bedarfs bestimmt waren, nur innerhalb der Familie übertragbar waren und ihre Gültigkeit nach Ablauf des Folgemonats der Ausgabe verloren. Ab November 2014 bezogen die Familienangehörigen des Klägers Leistungen nach § 2 AsylbLG.

Mit Bescheid vom 10.07.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von 353,00 Euro für den Zeitraum 26.06.2014 bis 30.11.2014.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit Begründung ein, dass die Berücksichtigung einer Regelleistung in Höhe von 90 % des Regelbedarfes für Alleinstehende rechtswidrig sei, da er einen Anspruch auf den Regelbedarf für volljährige Alleinstehende habe. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gelte im Falle einer Bedarfsgemeinschaft, in der ein Partner Leistungen nach dem SGB II und der andere Leistungen nach dem AsylbLG beziehe, die Kürzungsregelung in § 20 Abs. 4 SGB II nicht. Eine Vergleichbarkeit zwischen SGB II-Leistungen und den Grundleistungen nach dem AsylbLG, die die Anwendung des § 20 Abs. 4 SGB II rechtfertigen würde, bestehe ungeachtet der jeweiligen Höhe nicht, weil nur Leistungen miteinander vergleichbar seien, die von dem Konzept pauschalierter, also abstrakter Bedarfsdeckung ausgingen, während dem AsylbLG das Sachleistungsprinzip zugrunde liege. Seine Ehefrau erhalte zudem nach wie vor Leistungen nach dem AsylbLG überwiegend in Form von Wertgutscheinen, weshalb sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erst recht die Gleichbehandlung mit Bedarfsgemeinschaften, in denen beide Partner SGB II-Leistungen erhalten, verbiete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auch bei erwerbsfähigen leistungsberechtigten Personen, die mit einer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten - ausgeschlossenen - Person als Partner in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebten, sei der Regelbedarf für volljährige Partner anzuerkennen. Ausgelöst durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 Bv...

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