Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallkausalität. Nachweis. Infektion durch Pseudomonas areuginosa. stationäre Behandlung im Sinne von § 559 RVO. Nichtfeststellbarkeit des konkreten Infektionsvorgangs. Krankenhauskeim. Meningitiserkrankung
Orientierungssatz
Lässt sich nicht feststellen, dass die Infektion durch Pseudomonas areuginosa bei dem grundsätzlich gem § 539 Abs 1 Nr 17 RVO versicherten Säuglings infolge einer besonderen Gefahr erfolgt ist, die mit der Entgegennahme der Krankenhausbehandlung (hier: Behandlung im Inkubator) verbunden und nicht Folge der Behandlung durch das medizinische Personal war, ist ein Arbeitsunfall mangels Vorliegens der Unfallkausalität abzulehnen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.04.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin erlittene Infektion durch Pseudomonas aeruginosa, die eine Meningitis zur Folge hatte, als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.
Die Klägerin wurde am 09.04.1992 auf dem Weg zur Universitäts-Frauenklinik S in einem Krankenwagen um ca. 16:40 Uhr während der 30. Schwangerschaftswoche geboren. In der neonatologischen Intensivstation der Kinder- und Jugendklinik der Universität S wurde sie um 17:00 Uhr aufgenommen und musste wegen einer Anpassungsstörung der Lunge mit Lungenentzündung apparativ beatmet und antibiotisch behandelt werden. Nach zwischenzeitlicher Stabilisierung unter Beatmung und antibiotischer Behandlung waren am 8. Lebenstag erneut klinische Symptome einer Pneumonie und einer beginnenden Sepsis festzustellen. Nachdem die Klägerin am 15. Lebenstag extubiert werden konnte, atmete sie spontan ohne Zeichen von Luftnot und war kreislaufstabil. Am 17. Lebenstag konnte aufgrund der stabilen klinischen Befunde auch die antibiotische Therapie beendet werden. Am 03.05.1992 traten bei der Klägerin plötzlich Apnoen und Bradykardien auf. Eine Lumbalpunktion ergab den Befund einer Meningitis; in der Liquorkultur konnte als Erreger Pseudomonas aeruginosa diagnostiziert werden. Dieser Erreger wurde gleichzeitig im Stuhl der Klägerin nachgewiesen. In der Folgezeit kam es zur Ausbildung eines Hydrocephalus, der durch Anlage einer Ventildrainage operativ versorgt werden musste.
Mit Schreiben vom 02.04.2001 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen "Antrag auf Entschädigung, Pflegegeld, Verletztenrente. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen der Universitätskliniken S bei und holte zur Klärung der Frage, welche Ursachen für die Infektion der Klägerin in Betracht kommen, im Einverständnis der Klägerbevollmächtigten ein Gutachten von Prof. Dr. S, Leitender Oberarzt der Universitätskinderklinik L ein. Dieser kam in seinem Gutachten vom 05.08.2002 zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Erkrankung der Klägerin habe es sich um eine auf der Intensivstation erworbene nosokominale eitrige Meningitis durch Pseudomonas aeruginosa gehandelt. Eine zuvor lokale Besiedlung im Darm durch die verantwortlichen Keime mit anschließender Bakteriämie und Invasion der Meningen sei zu unterstellen. Dieser Kausalzusammenhang sei sehr wahrscheinlich. Andere verantwortliche Ursachen für den Infektionshergang seien unwahrscheinlich. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte diese Infektion im Vorfeld nicht verhindert werden können.
Der beratende Arzt der Beklagten, Facharzt für Innere Medizin, Arbeits- und Umweltmedizin Dr. T führte unter dem 22.8.2002 bezugnehmend auf medizinische Literatur aus, Pseudomonas aeruginosa sei weit verbreitet als Nass- oder Pfützenkeim, z.B. in Leitungswasser, Waschbecken, Toiletten, Wasch- und Spülmaschinen, Putzutensilien etc. Im Krankenhaus spielten u.a. Inkubatoren für Frühgeborene, Beatmungs- und Narkosegeräte eine Rolle. Von allen diesen Bereichen und Gerätschaften sowie von infizierten Patienten und Keimträgern unter dem Personal könnten sporadische oder epidemische Erkrankungen durch Pseudomonas aeruginosa ihren Ausgang nehmen. Ärzten und Pflegekräften, die unbemerkt besiedelt seien, komme möglicherweise ebenfalls epidemiologische Signifikanz zu. Auf Intensivstationen habe Pseudomonas aeruginosa als nosokominaler Erreger eine große Bedeutung. Ob während der mehrwöchigen intensivmedizinischen Behandlung für die Klägerin ein typisches Behandlungsrisiko bestanden habe, solle ergänzend geklärt werden.
Die Beklagte holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S vom 03.03.2003 ein, in welcher dieser darauf hinwies, dass nach der oralen oder analen Aufnahme von Pseudomonas aeruginosa eine Ausbreitung dieses Erregers mit nachfolgender Besiedlung und Kolonisation des Darms sehr wahrscheinlich sei. Als mögliche Eintrittspforten seien u.a. eine Besiedlung beginnend im Nasen-Rachen-Raum mit Verschlucken der Erreger und nachfolgender Besiedlung im Magen-Darm-Trakt, begün...