Entscheidungsstichwort (Thema)
Herbeiführung der Aufrechnungslage durch die Pflegekasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Pflegeunternehmens. anfechtbare Rechtshandlung
Orientierungssatz
Die Aufrechnung durch die Pflegekasse von Vergütungsansprüchen der Pflegeeinrichtung für Pflegeleistungen gegen Beitragsrückstände der Pflegeeinrichtung für Mitarbeiter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist keine anfechtbare Rechtshandlung iS von § 96 Abs 1 Nr 3 InsO und § 130 Abs 1 InsO.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.03.2004 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.128,05 Euro festgesetzt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, Vergütungsansprüche für Pflegeleistungen, die die Gemeinschuldnerin an Pflegebedürftige erbracht hat, gegen Beitragsforderungen für Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin aufzurechnen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. S GmbH (Gemeinschuldnerin). Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 29.06.2001 eröffnet, das Insolvenzverfahren mit weiterem Beschluss vom 01.08.2001.
Nachdem der Beklagten die vorläufige Insolvenzeröffnung am 03.07.2001 zur Kenntnis gelangt war, fragte sie beim Kläger an, ob dort Bereitschaft bestehe, die Beitragsrückstände der Gemeinschuldnerin zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.04. - 30.06.2001 mit den von der Beklagten zu erbringenden Pflegeleistungen für 21 Heimbewohner im Juli 2001 aufzurechnen. Dies lehnte der Kläger mit dem Hinweis ab, dass eine Aufrechnung die Beklagte ungerechtfertigt besser stellen würde als andere Gläubiger.
Die Beklagte erklärte mit Bescheid vom 26.07.2001 die Aufrechnung ihrer Beitragsforderungen (49.939,28 DM zuzüglich 700,07 DM Säumniszuschläge) mit den von ihr zu leistenden Pflegegeldzahlungen (insgesamt 48.278,72 DM).
Mit Schreiben vom 01.08.2001 teilte der Kläger der Beklagten daraufhin mit, dass die Aufrechnungserklärung nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 Insolvenzordnung (InsO) mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam geworden sei. Die - nach dem Eröffnungsantrag und der Kenntnis der Beklagten davon herbeigeführte - Aufrechnungslage sei auf anfechtbare Weise i. S. v. § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO entstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) könne die aus einem Dauerschuldverhältnis entstehende Aufrechnungslage bereits dann angefochten werden, wenn der Gläubiger in Kenntnis des Eröffnungsantrags oder der wirtschaftlichen Krise des Schuldners weitere Leistungen entgegen nehme. Er bitte, die im Juli fällig gewordenen Pflegeleistungen bis zum 07.08.2001 auf das Insolvenzanderkonto zu zahlen.
Die Beklagte sah das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen den Aufrechnungsbescheid an. Mit weiterem Bescheid vom 23.08.2001 nahm sie die Aufrechnung in Höhe von 5.000 DM zurück, weil der Kläger die Vergütungsansprüche für zwei Pflegebedürftige bereits vorher an einen Dritten abgetreten habe. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2002 zurück. Die Aufrechnung sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam, da es an einer anfechtbaren Rechtshandlung im Sinne dieser Vorschrift fehle. Insbesondere habe die Beklagte keine Werte der Gemeinschuldnerin an sich gezogen. Die Leistungen der Gemeinschuldnerin seien vielmehr den Heimbewohnern zugute gekommen, denen sie auch vertraglich geschuldet waren. Die Beklagte habe sich daher nicht zum Schuldner der Gemeinschuldnerin "gemacht", sondern sei es aufgrund der Verpflichtung zur Übernahme der Vergütungen für Pflegeleistungen ohne eigenes Zutun geworden.
Der Kläger hat am 19.03.2002 Klage beim Sozialgericht Köln (SG) erhoben und die Zahlung von 22.128,06 Euro nebst Zinsen begehrt. Die Aufrechnungslage sei in anfechtbarer Weise entstanden, die Aufrechnung daher unwirksam. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Das SG hat die Versorgungsverträge der S Einrichtungen St. B, T und B1 sowie das Zulassungsschreiben bzgl. der Einrichtung V beigezogen.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29.03.2004 hat das SG die Bescheide vom 26.07.2001 und 23.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2002 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Da die Leistungsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten bezüglich der streitigen Aufrechnung gem. § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) keine Rechtsbeziehung im Über-/Unterordnungsverhältnis darstelle, fehle es an der für einen Verwaltungsakt notwendigen hoheitlichen Maßnahme. Die Aufrechnungsbescheide seien daher formal aufzuheben. Soweit der Kläger Vergütungsansprüche in Höhe von 22.128,06 Euro geltend mache, seien diese durch wirksame Aufrechnung erloschen. Zur Begründung hat das SG im Wesentl...