Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens als zwingende Voraussetzung der Gewährung von Regelaltersrente
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von Regelaltersrente aus der Alterssicherung der Landwirte setzt die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens voraus. Ein Unternehmen gilt auch dann als abgegeben, wenn der Flächenwert des nicht abgegebenen Teils 25 % der von der landwirtschaftlichen Alterskasse festgelegten Mindestgröße nicht überschreitet.
2. Schwierigkeiten bei der Unternehmensabgabe, beispielsweise beruhend auf der familiären Situation, können die vom Gesetz vorbehaltlos verlangte Abgabe weder erfüllen noch ersetzen.
3. Die landwirtschaftliche Alterssicherung ist vom Gesetzgeber bewusst als eigenständige Materie ausgestaltet worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass deren Geldleistungen zu mehr als drei Vierteln aus Bundeszuschüssen finanziert werden und im Gegensatz zu den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung weit überwiegend nicht durch Beiträge der Versicherten aufgebracht werden. Die weitgehende Fremdfinanzierung rechtfertigt die strengeren Voraussetzungen gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.5.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR).
Der am 00.00.1936 geborene Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen. Er ist verheiratet. Seine Ehefrau ist am 00.00.1959 geboren. Die Eheleute haben vier Kinder. Der Kläger ist seit dem 1.7.1973 Pflichtmitglied bei der Beklagten. Er bewirtschaftet 127,2 ha landwirtschaftliche und 16 ha forstwirtschaftliche Nutzfläche. Er hat mit seiner Ehefrau keinen Pachtvertrag oder sonstigen Vertrag zur Übernahme des landwirtschaftlichen Unternehmens geschlossen.
Am 17.2.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten RAR. Er gab an, er werde seinen Betrieb weiter bewirtschaften, da ein Übernehmer noch nicht vorhanden sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Kläger sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid v. 4.3.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 21.4.2010).
Der Kläger hat am 7.5.2010 zum Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben und vorgetragen, das Erfordernis der Unternehmensabgabe sei verfassungswidrig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 zu verurteilen, ihm eine Regelaltersrente zu zahlen, hilfsweise die Sache gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt.
Das SG hat die Klage mit Urteil v. 31.5.2011 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 7.6.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.6.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, von seinen Kindern sei ein Sohn gewillt, den väterlichen Betrieb zu übernehmen; dieser habe jedoch sein Studium der Landwirtschaft noch nicht angeschlossen. Eine Abgabe an seine Ehefrau gem. § 21 Abs. 9 ALG sei nicht möglich, da sie am 00.00.1959 geboren und damit das in der genannten Bestimmung geforderte Alter noch nicht erreicht habe. Er hält das Erfordernis der Unternehmensabgabe für verfassungswidrig, ebenso die Regelung des § 21 Abs. 9 ALG. Das damit verfolgte Ziel strukturpolitischer Veränderungen lasse sich angesichts der hohen Zahl von Nebenerwerbslandwirten und sog. "Scheinabgaben" nicht mehr erreichen. Die Verpflichtung zur Hofabgabe beeinträchtige ihn unangemessen in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es sei ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), wenn der Landwirt gezwungen werde, Pflichtmitglied der Alterskasse zu werden, die Alterssicherung dann jedoch nur als eine Teilsicherung ausgestaltet sei. Ergänzend überreicht er die Ausarbeitung "Fragen zur Hofabgabeklausel im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte" des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 31.5.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 4.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2010 zu verurteilen, ihm Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig und weist darauf hin, dass die Verfassungsmäßigkeit des Abgabeerfordernisses in der Rechtsprechung hinreichend geklärt sei.
Der Senat hat mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS...