Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. keine Kostenübernahme für den Einbau eines Personenaufzugs. Einsatz des Einkommens und Vermögens. Hilfe zum Umbau einer Wohnung gem § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9

 

Leitsatz (amtlich)

Die Hilfe zum Umbau einer Wohnung gem § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9 wird von § 92 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 12 nicht erfasst.

 

Orientierungssatz

Der Einbau eines Personenaufzuges unterfällt der Eingliederungshilfe gem §§ 53, 54 Abs 1 S 1 SGB 12 iVm § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.09.2012; Aktenzeichen B 8 SO 15/11 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.11.2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Personenaufzugs im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger ist am 00.00.2002 geboren. Seit seiner Geburt leidet er an einem Hydrozephalus. Dieser wurde mit einem Shunt operativ versorgt, eine Fehlbildung des Rückenmarks wurde ebenfalls operativ versorgt. Der Kläger leidet u.a. an einer neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung und einer Muskelhypotonie sowie einer Lähmung der Beine. Seit seiner Geburt ist bei ihm ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt, ferner u.a. die Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "H" (Hilflosigkeit). Er ist in der sozialen Pflegeversicherung in der Pflegestufe 3 eingestuft.

Zusammen mit seinen Eltern und einem Geschwister bewohnt er eine Wohnung im ersten und zweiten Obergeschoss eines Bauernhofs. Das Erdgeschoss bewohnen die Großeltern des Klägers, der Großvater ist mit einer Knieprothese versorgt. Eigentümer des Hauses ist der Vater des Klägers. Im Erdgeschoss wohnt auch die Schwester des Vaters des Klägers, die unter erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen nach einem Unfall leidet.

Der Vater des Klägers erzielte nach der Verdienstbescheinigung seiner Arbeitgeberin im Jahr 2004 ein steuerpflichtiges Steuerbruttoeinkommen von 38.203,08 EUR und im Jahr 2005 von (voraussichtlich) 42.069,35 EUR. Nach einem Aktenvermerk über ein Gespräch mit der Familie des Klägers vom 28.07.2005 erzielte der Vater des Klägers ein jährliches Einkommen aus Vermietung und Verpachtung von etwa 20.000 EUR.

Mit Schreiben vom 25.02.2005 beantragte der Vater des Klägers bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten für den Einbau eines behindertengerechten Fahrstuhls. Nach den vorgelegten Kostenvoranschlägen von Fachunternehmen beliefen sich die Kosten für den Einbau des Personenaufzuges auf etwa 27.700 bis 29.500 EUR. Hinzu kamen nach einem weiteren Kostenvoranschlag vorbereitende Maurerarbeiten von 34.000 EUR; der Beklagte hielt demgegenüber Maurerarbeiten in Höhe von 12.500 EUR (netto) für erforderlich. Der Vater des Klägers wies am 25.02.2005 darauf hin, dass er bereits einen Antrag auf Kostenbeteiligung an die Pflegekasse gestellt habe.

Mit Bescheid vom 14.04.2005 gewährte die Pflegekasse des Klägers einen Zuschuss zu der Umbaumaßnahme in Höhe von maximal 2.557 EUR; die konkrete Förderungshöhe sei abhängig von den tatsächlich entstehenden Aufwendungen.

Mit Bescheid vom 05.10.2006 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zwar sei der begehrte Einbau eines Fahrstuhls grundsätzlich eine Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff. SGB XII. Allerdings handele es sich um eine gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII einkommens- und vermögensabhängige Leistung. Das Einkommen und Vermögen der Eltern des Klägers übersteige den Schonvermögensbetrag gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Die Regelung des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sei nicht anwendbar; denn sie erfasse nur Hilfen gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), nicht aber die hier streitige Hilfe gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.10.2006 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2007 zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger am 05.02.2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben.

Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, der Tatbestand des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sei erfüllt. Dessen sozialpolitisches Anliegen bestehe darin, die wirtschaftliche Situation der Eltern behinderter Kinder zu verbessern. Er benötige den Fahrstuhl, um seine Wohnung überhaupt noch verlassen zu können, insbesondere für Arztbesuche und zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2007 zu verurteilen, ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für den Einbau des Fahrstuhls zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt.

Zwischenzeitlich haben die Eltern des Klägers den Personenaufzug in ihrem Haus einbauen lassen. Mit Schriftsatz vom 05.05.2...

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