Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung des 63. Lebensjahres

 

Orientierungssatz

Zum (nicht bestehenden) Anspruch auf eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor Vollendung des 63. Lebensjahres (bzw der entsprechend angehobenen Altersgrenze).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 13 R 7/19 R)

BSG (Beschluss vom 12.03.2019; Aktenzeichen B 13 R 30/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.09.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine abschlagsfreie Rente ab Vollendung des 62. Lebensjahres oder jedenfalls eine Verringerung der Abschläge wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente.

Der Kläger ist am 00.00.1953 geboren.

Am 17.11.2006 schloss er mit seinem damaligen Arbeitgeber eine Altersteilzeitvereinbarung ab, wonach er in der Zeit vom 01.12.2008 bis zum 31.05.2012 in Vollzeit tätig und vom 01.06.2012 bis 30.11.2015 in der Freistellungsphase sein sollte. Am 03.06.2015 beantragte er ausdrücklich eine Altersrente für langjährig Versicherte; das Antragsformular sah auch die Möglichkeit der Beantragung einer Rente für besonders langjährig Versicherte vor. Mit Bescheid vom 21.09.2015 wurde die beantragte Rente ab dem 01.12.2015 mit Abschlägen für 36 Kalendermonate bewilligt. Bei Renteneintritt lagen bei dem Kläger 526 Monate mit vollwertigen Pflichtbeitragszeiten vor. Die Wartezeit von 45 Jahren war zu diesem ebenfalls Zeitpunkt erfüllt.

Gegen den Rentenbescheid richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 29.09.2015, begründet mit Schreiben vom 13.12.2015. Der Kläger war der Auffassung, nach § 236b Sechtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hätte er Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente. Im Jahr 2006, als er die Vereinbarung über die Altersteilzeit getroffen habe, hätte er nicht voraussehen können, dass eine Rente für besonders langjährig Versicherte geschaffen werden würde. Der Gesetzgeber hätte daher bei Schaffung dieser Rentenart den Personenkreis berücksichtigen müssen, der - wie er - die Voraussetzungen der neuen Rente erfüllen würde. Ihm sei dabei bewusst, dass er dann bis zum 63. Lebensjahr (zzgl. 2 Monate) hätte arbeiten müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 34 Abs. 4 SGB VI sei der Wechsel in eine andere Rentenart nicht möglich.

Dagegen hat der Kläger am 09.06.2016 bei dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Der Kläger wies zur Begründung darauf hin, dass er bereits bei Vollendung des 62. Lebensjahres die Wartezeit von 45 Jahren für eine Rente für besonders langjährig Versicherte (§ 236b SGB VI) erfüllt habe. Er war der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor, wenn er an der Rente für langjährig Versicherte mit den entsprechenden Abschlägen wegen einer Inanspruchnahme ab dem 62. Lebensjahr festgehalten werde. Seiner Auffassung nach enthielten die §§ 38, 236b SGB VI eine Benachteiligung für diejenigen, deren Rentenkonto mit Vollendung des 62. Lebensjahres eine höhere Wartezeit aufweise als das derjenigen, die mit Vollendung des 63. Lebensjahres die Wartezeit von 45 Jahren und damit die Voraussetzung des § 236b SGB VI erfüllt. Eine Differenzierung nach dem Lebensalter sei sachwidrig. Zudem liege eine gleichheitswidrige Inhaltsbestimmung des Renteneigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG vor. Der monatliche Geldwert des Rentenstammrechts werde durch den Abschlag während der gesamten Dauer des Rentenbezugs vermindert. Die betroffenen Vorschriften hätten von der Beklagten verfassungskonform ausgelegt werden müssen. Hilfsweise führte er aus, jedenfalls der Zugangsfaktor sei unzutreffend ermittelt. Ab dem 01.02.2017 stehe ihm die Rente nach § 236b SGB VI zu. Allenfalls für die 14 Monate zwischen der vorzeitigen Inanspruchnahme und dem Erreichen der Altersgrenze des § 236b SGB VI hätte der Abschlag vorgenommen werden dürfen.

Die Beklagte hat auf die Regelung des § 34 Abs. 4 SGB VI verwiesen.

Mit Urteil vom 12.09.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Das SGB VI sei wegen des eindeutigen Wortlautes nicht dahingehend auszulegen, dass eine Inanspruchnahme für besonders langjährige Versicherte bereits mit Vollendung des 62. Lebensjahres möglich sei. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Dem Gesetzgeber sei eine gewisse Typisierung gestattet. Dies gelte jedenfalls, wenn lediglich eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Diese Voraussetzungen lägen vor. Auch sei keine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG gegeben. Die bei einem vorzeitigen Altersrentenbeginn wegfallende Möglichkeit, weitere Altersrentenanwartschaften zu erwerben, stelle keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar. ...

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