Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Kapitallebensversicherung. Verwertungsausschluss nach § 165 VVG. Beratungspflicht des Leistungsträgers. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. besondere Härte
Orientierungssatz
1. Auch wenn der Hilfebedürftige vom Leistungsträger im Rahmen seiner Beratungspflicht nicht darauf hingewiesen worden ist, dass ihm bei der Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens gem § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2 ein Freibetrag zustehen kann, sofern er mit seiner Lebensversicherung einen Verwertungsausschluss nach § 165 Abs 3 VVG vereinbart, so steht ihm trotzdem kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu.
2. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 1 SGB 2 ist erst dann anzunehmen, wenn der Rückkaufswert der Lebensversicherung (nach Abzug der Gebühren) die Summe der eingezahlten Beiträge um mehr als 10% unterschreitet.
3. Die bloße Erwartung, bei weiterem Zeitablauf aus der Lebensversicherung einen höheren Zahlbetrag zu erhalten, ist nicht durch § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 Alt 2 SGB 2 geschützt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.06.2006 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 23.05.2005 bis 31.07.2005, insbesondere die Frage der Hilfebedürftigkeit des Klägers und seiner Ehefrau wegen des Vorhandenseins einer Lebensversicherung.
Der am 00.00.1949 geborene Kläger zu 1) beantragte am 11.05.2005 für sich und seine am 00.00.1954 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Kläger zu 1) bezog bis zum 22.05.2005 Arbeitslosengeld nach dem SGB III in Höhe von täglich 36,32 EUR. Über (weitere) monatliche Einkünfte der Kläger ist nichts bekannt.
An Vermögen war zum Antragszeitpunkt vorhanden:
- ein Bausparvertrag mit einem Guthaben von 4.542,52 EUR
- ein Girokonto mit einem Kontostand von 2.160,76 EUR
- Bargeld in Höhe von 200,- EUR
- eine Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 27.401,- EUR (50.852,42 EUR Versicherungssumme, Guthabenwert 28.522,- EUR)
Diese Kapitallebensversicherung war ausweislich eines Schreibens der Lebensversicherungs-AG Deutscher Ring vom 27.05.2005 zum Antragszeitpunkt beitragsfrei gestellt.
Darüber hinaus stand im Eigentum der Kläger ein PKW, Mercedes Modell 200, Baujahr 1993, mit einem geschätzten Restwert von 2.000,- EUR
Neben den Regelleistungen fallen als Bedarf der Kläger Unterkunfts- und Heizkosten (laut Mieterbescheinigung vom 20.05.2005) für ihre 66,80 m² große und zusammen mit ihrem 1984 geborenen Sohn bewohnte Wohnung monatliche Kosten in Höhe von insgesamt 420,44 EUR an (Miete in Höhe von 260,48 EUR, Nebenkosten von 133,96 EUR und Heizkosten in Höhe von 26,- EUR) an.
Mit Bescheid vom 31.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger ab. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 35.431,35 EUR übersteige die anzuerkennenden Grundfreibeträge von 24.200,- EUR. Hilfebedürftigkeit liege daher nicht vor.
Mit Widerspruch vom 06.06.2005 führten die Kläger aus, ursprünglich habe die Lebensversicherung zum 01.07.2009 fällig werden sollen mit einem Guthaben von 50.852,42 EUR. Dieser Betrag habe der zusätzlichen Altersversorgung dienen sollen. Bedingt durch die Arbeitslosigkeit sei der Kläger zu 1) nicht mehr in der Lage gewesen, den monatlichen Beitrag von 293,18 EUR zu zahlen. Die Versicherung sei daher beitragsfrei gestellt worden. Der Rückkaufswert der Versicherung betrage nur 27.401,- EUR. Müsste er noch einen Betrag von 11.231,35 EUR verwerten, beliefe sich der Verlust auf insgesamt 34.682,77 EUR. Die Auflösung des Lebensversicherungsvertrages wäre daher wirtschaftlich nicht sinnvoll und stelle eine unzumutbare Härte dar. Sie seien aber mit einem Auszahlungsvorbehalt durch die Agentur für Arbeit bis zum 01.07.2009 einverstanden. Die Lebensversicherung möge daher bis zu diesem Auszahlungsdatum nicht mehr in die Vermögensberechnung einbezogen werden.
Mit Bescheid vom 13.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger zu 1) habe zu Beginn des Bewilligungsabschnitts am 11.05.2005 das 55. Lebensjahr vollendet. Es ergebe sich daher ein Grundfreibetrag in Höhe von 11.000,- EUR (200,- EUR x 55). Seine Ehefrau habe das 51. Lebensjahr vollendet, so dass ein weiterer Grundfreibetrag in Höhe von 10.200,- EUR zu berücksichtigen sei. Der gesamte Grundfreibetrag betrage demnach 21.200,- EUR. Unter Berücksichtigung des Freibetrages für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ergebe sich ein Freibetrag v...