Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Anspruchs einer weiblichen Versicherten auf einen operativen Brustaufbau nach Abszess

 

Orientierungssatz

1. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB 5 eine Krankheit voraus. Sie besteht nur dann, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG Urteil vom 19. 10. 2004, B 1 KR 3/03 R). Der operative Brustaufbau nach Abszess verschafft einer Frau weder funktionsgerechte Organe noch dient er der Behandlung von Erkrankungen anderer Organe oder Körperteile.

2. Größe und Asymmetrie der Brüste bewirken keine äußerliche Entstellung, die den Bedarf nach einer Mammaoperation begründen könnte. Liegt eine erhebliche Auffälligkeit nicht vor, so besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse für eine Mammaoperation.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.06.2017 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Gewährung einer operativen beidseitigen Brustaufbauplastik (Mammaaugmentation) hat.

Die am 00.00.1981 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Mit einem kleinen handschriftlichen an eine Mitarbeiterin der Beklagten gerichteten Zettel beantragte sie am 22. Dezember 2014 eine Operation im Brustzentrum G. Sie gab an, ihre Brüste seien kein schöner Anblick. Sie habe 35 kg abgenommen. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 teilte die Beklagte ihr mit, dass sie für die weitere Bearbeitung eine Krankenhauseinweisung benötige.

Am 5. Januar 2015 verordnete ihr die behandelnde Frauenärztin Dr. S Krankenhausbehandlung mit der Angabe: "Brustaufbau nach Abszess zur Vorlage und zur Genehmigung bei der Krankenkasse". Die Verordnung ging der Beklagten am gleichen Tag zu. Sie wertete diese als Antrag der Klägerin auf Gewährung einer operativen Brustaufbauplastik und schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser empfahl mit Stellungnahme vom 15. Januar 2015 weitere Ermittlungen, da unklar sei, was die Klägerin wünsche.

Mit Schreiben vom 17. Januar und 21. Januar 2015 bat die Beklagte die Klägerin um Übersendung eines aktuellen Berichts des Brustzentrums G. Die drei- bzw. fünf-Wochen-Frist nach dem Patientenrechtegesetz könne nicht eingehalten werden. Nach Einreichen der genannten Unterlagen werde der Antrag umgehend bearbeitet. Am 12. Februar 2015 ging der Bericht des Klinikums G vom 3. Februar 2015 bei der Beklagten ein. Darin führte der Chefarzt Dr. Q aus, die Klägerin leide schon seit vielen Jahren unter einer beidseitigen Brustdeformität, welche sich nach Entwicklung eines Mammaabszesses links vor vier Jahren sowie nach zwei Geburten und einer ausgeprägten Gewichtsabnahme verstärkt habe. Es liege eine erhebliche Anisomastie mit einer "tuberösen Brustdeformität links mehr als rechts" vor. Die Brustwarzenhofkomplexe seien auffallend groß. Es liege eine mäßiggradige Hernienbildung von Drüsengewebe in die Areola beidseits vor. Beide Brüste seien ptotisch und die Brustwarzen beidseits stark nach unten gerichtet. Eine beidseitige Korrektur sei daher klar indiziert. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der MDK am 26. Februar 2015 nach Aktenlage ein sozialmedizinisches Gutachten, in dem er ausführte, das Vorliegen eines krankhaften Mammabefundes könne nicht bestätigt werden. Beidseitige Eingriffe an den Brüsten bei Zustand nach Gewichtsreduktion und nach Mamma-Abszessentfernung links im März 2011 entsprächen einer kosmetischen Indikation. Eine Kostenübernahme zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung könne nicht empfohlen werden. Mit Bescheid vom 2. März 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer beidseitigen Brustaufbauplastik gestützt auf die Feststellungen des MDK ab.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 3. März 2015 Widerspruch ein. Die beidseitige Brustaufbauplastik begehre sie aufgrund einer Ungleichheit der Brüste, welche nicht richtig entwickelt seien, sowie einer Fehlstellung der linken Brustwarze. Diese Beeinträchtigungen führten bei ihr zu psychischen Problemen, welche sich durch eine Kur und eine stattgefundene Paartherapie nicht hätten beseitigen lassen. Sie halte es nicht mehr aus, mit einer solchen Brust herumzulaufen. Zudem sei ihr ein Stillen ihrer Söhne nach deren Geburten nicht möglich gewesen. Ihre behandelnden Ärzte bestätigten eine medizinische, nicht nur eine kosmetische Indikation für eine chirurgische Korrektur ihrer Brüste. Sie legte ein weiteres Attest von Dr. Q, Brustzentrum des Klinikums G, vom 16. März 2015 und eine Bescheinigung der Diplomsoziologin N von der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung der Diakonie e.V. vom 9. März 2015 vor, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der MDK ...

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