Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern. Anwendbarkeit des BSHG auf Altfälle nach Inkrafttreten des SGB 2. Erstattung von Heilbehandlungskosten an die gesetzliche Krankenkasse als erstattungsfähige Kosten im Kostenausgleich zwischen Sozialhilfeträgern
Orientierungssatz
1. Die Regelung über die Kostenerstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe in § 107 BSHG ist für bis zum 31.12.2004 entstandene Ansprüche auch nach Außerkrafttreten des BSHG weiterhin anwendbar (Fortführung LSG Essen, Urteil vom 23. April 2007 - L 20 SO 39/06).
2. Die von einem Träger der Sozialhilfe für einen Hilfsbedürftigen an eine gesetzliche Krankenversicherung nach § 264 Abs. 7 SGB 5 erstatteten Kosten für medizinische Behandlungen sind als Hilfe im Sinne des § 107 Abs. 1 BSHG, § 111 BSHG im Rahmen eines Ausgleichs unter mehreren Trägern der Sozialhilfe erstattungsfähig.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin an die AOK Westfalen-Lippe auf der Grundlage des § 264 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geleistete Beträge zu erstatten.
Die im laufenden Bezug von Hilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) stehende Hilfebedürftige A L, Ihre Tochter Z und ihr Lebensgefährte C L1 verzogen am 17.05.2004 aus X nach H, mithin in den Zuständigkeitsbereich der Klägerin. Ab dem 01.06.2004 gewährte die Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Mit Schreiben vom 27.05.2004 machte sie bei der Beklagten einen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 107 BSHG geltend. Mit Schreiben vom 14.07.2004 erkannte die Beklagte eine entsprechende Verpflichtung für die genannten Hilfebedürftigen für den Zeitraum vom 01.06.2004 bis längstens 31.12.2004 dem Grunde nach an.
Nach Bezifferung des Erstattungsanspruchs durch die Klägerin vertrat die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 28.02.2006 die Auffassung, dass mangels Übergangsregelung im SGB XII Ansprüche aus noch nicht abgewickelten Kostenerstattungsverfahren nach § 107 BSHG mit dem 31.12.2004 untergegangen seien. Solche Ansprüche könnten gerichtlich nicht mehr durchgesetzt werden, weil maßgeblich für eine gerichtliche Entscheidung die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung sei. Das Kostenanerkenntnis vom 14.07.2004 stelle "letztendlich nur eine Eingangsbestätigung ihres seinerzeit angezeigten Anspruches dar, weil das bis zum 31.12.2004 maßgebende Recht die Abgabe eines rechtsverbindlichen Schuldanerkenntnisses nicht forderte". Eine Erstattung der bezifferten Forderung könne nicht erfolgen.
Nach weiterem Schriftwechsel forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 06.06.2006 auf, die geleistete Sozialhilfe bis zum 07.07.2006 zu erstatten. Neben den bereits in Rechnung gestellten Kosten die Hilfe zum Lebensunterhalt betreffend sei als Hilfe im besonderen Lebenslagen (Krankenhilfe) zusätzlich ein Betrag von 524,18 EUR einzufordern. Hierbei handelte es sich um Beträge, die der AOK Westfalen-Lippe gemäß § 264 Abs. 7 SGB V erstattet worden waren (vgl. die Kostenaufstellung Blatt 211 der Verwaltungsakten der Beklagten).
Nach erfolglosen Erinnerungen ihrerseits hat die Klägerin am 25.10.2006 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und für die genannten Hilfebedürftigen einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 7.085,84 EUR nebst 4 % Zinsen seit Zustellung der Klage geltend gemacht. Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des für den Hilfebedürftigen C L1 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs in Höhe von 2.504,19 EUR wegen Nichterreichens der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG zurückgenommen. Die Beklagte hat nachfolgend einen Anspruch in Höhe von 4.057,47 EUR anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die einem Sozialhilfeträger gemäß § 264 Abs. 7 SGB V entstehenden Kosten zählten zu den im Wege des § 107 BSHG geltend zu machenden Sozialleistungen. Dies entspreche im Übrigen der Praxis des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und der Rechtsprechung des Sozialgerichts Detmold zum § 108 BSHG (Urteil vom 13.06.2006 - S 6 SO 144/05).
Die Beklagte hat hingegen die Auffassung vertreten, der Sozialhilfeempfänger nehme für die Krankenbehandlungskosten nach § 264 Abs. 2 SGB V allein die Krankenversicherung in Anspruch. Der an die Kasse geleistete Aufwendungssatz nach § 264 Abs. 7 SGB V sei keine Sozialleistung im Sinne von des § 11 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), denn damit seien nur die Ansprüche des Sozialleistungsberechtigten gegenüber der Behörde gemeint. Bei einer Sozialleistung handele es sich um eine Leistung, die der betroffene Bürger von einer in §§ 18ff. SGB I benannten Stelle in Anspruch nehmen könne. Der Sozialhilfeträger erbringe an den Krankenversicherer lediglich eine Erstattungsleistung, aber keine originäre Sozialleistung. ...