Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Zinseinkünfte. Zuflussprinzip. Nichtberücksichtigung von Zinseinkünften aus Schmerzensgeldzahlung
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich stellen Zinseinkünfte, die nach Antragstellung zugeflossen sind, Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 dar (vgl BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 16).
2. Die aus Schmerzensgeld erwirtschafteten Zinseinkünfte sind gem § 11 Abs 3 Nr 2 SGB 2 als Entschädigungen, die wegen eines Nichtvermögensschadens nach § 253 Abs 2 BGB geleistet werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 03.02.2009 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen des Zuflusses von Zinseinkünften aus angelegten Schmerzensgeldzahlungen teilweise aufgehoben und von ihnen die Erstattung überzahlter Leistungen gefordert hat.
Die am 00.00.1967 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1) ist die Mutter des am 00.00.1989 geborenen Klägers zu 3) und des am 00.00.1991 geborenen Klägers zu 4). Die Klägerin ist mit dem am 00.00.1968 geborenen, erwerbsfähigen Kläger zu 2), dem Stiefvater der Kläger zu 3) und 4) verheiratet. Der Kindesvater leistete keinen Unterhalt.
Die Kläger wohnen zur Miete in einem 1972 fertiggestellten Haus mit einer Wohnfläche von 120 m². Die Miete beträgt 660,00 EUR netto-kalt zuzüglich 100,00 EUR Nebenkosten. Die Heizung wird mit Heizöl betrieben. Die Warmwasserversorgung im Haus erfolgt über die Heizungsanlage. Das Haus befindet sich in X. Für diese Gemeinde besteht kein Mietspiegel. Für die Kinder wurde im streitigen Zeitraum Kindergeld von jeweils 154,00 EUR gezahlt. Der Kläger zu 2) ist selbständig tätig. Ausweislich der Gewinnermittlung des Klägers zu 2) erzielte er im Jahr 2004 einen Gewinn von 3.727,02 EUR (= 310,58 EUR pro Monat). Im Jahr 2005 erzielte er einen monatlichen Gewinn von 318,21 EUR. Der Kläger zu 2) erhielt in der Zeit vom 19.06.2005 bis 18.06.2006 einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 360,00 EUR (Bescheid vom 11.07.2006) und ab 19.06.2006 in Höhe von 240,00 EUR monatlich. Aufgrund des Existenzgründungszuschusses zahlt der Kläger zu 2) Rentenbeiträge in Höhe von 78,00 EUR monatlich.
Wegen der bei einem Kirmesunfall am 00.09.2002 von den Klägern zu 3) und 4) davongetragenen Verletzungen erhielten diese sowie die Klägerin zu 1) ein Schmerzensgeld in Höhe eines von 132.500,00 EUR auf der Grundlage eines Abfindungsvergleiches vom 05.10.2004. Die Auszahlung eines Betrages in Höhe von 102.500,00 EUR (132.500,00 EUR abzüglich eines zuvor geleisteten Vorschusses von 30.000,00 EUR) erfolgte am 15.10.2004. Nach Eröffnung entsprechender Aktiendepots legte die Klägerin zu 1) einen Teilbetrag von jeweils 39.349,75 EUR auf die Namen der Kläger zu 3) und 4) sowie in Höhe eines Betrages von 19.674,88 EUR auf ihren Namen an.
Hieraus wurden dem Konto der Klägerin zu 1) Zinsen in Höhe von 51,48 EUR am 12.01.2005 sowie in Höhe von 420,00 EUR am 04.10.2005 gutgeschrieben. Entsprechende Zinsgutschriften erfolgten zugunsten des Kontos des Klägers zu 3) am 04.10.2005 in Höhe von 1.200,00 EUR und am 22.12.2005 in Höhe von 214,52 EUR sowie zugunsten des Kontos des Klägers zu 4) am 04.10.2005 in Höhe von 1.200,00 EUR sowie am 22.12.2005 in Höhe von 286,03 EUR.
Aufgrund eines (Erst-) Antrags vom 22.12.2004 bezogen die Kläger seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) bewilligte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 10.01.2005 für den Monat Januar 2005 Gesamtleistungen von 764,60 EUR, für den Monat Februar 2005 von 1.170,10 EUR, für die Monate März bis Mai 2005 von 1.221,10 EUR und für den Monat Juni 2005 von 1.385,27 EUR. Mit Bescheid vom 05.08.2005 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum 01.09.2005 bis 28.02.2006 monatliche Leistungen in Höhe von 1.333,66 EUR. Den Bescheid vom 05.08.2005 änderte er mit Bescheid vom 18.08.2005 wegen eines "Wegfalls der Versicherungspauschale" ab und gewährte für den gesamten Bewilligungszeitraum monatliche Leistungen von 1.363,66 EUR. Mit Bescheid vom 01.03.2006 gewährte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Monate März bis Mai 2006 Leistungen in Höhe von 825,00 EUR, für den Monat Juni 2006 Leistungen in Höhe von 949,20 EUR und für die Monate Juli und August 2006 in Höhe von 1.165,20 EUR. Mit (vorläufigem) Änderungsbescheid vom 12.06.2006 berechnete der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum Juli und August 2006 unter Berücksichtigung gekürzter Kosten der Unterkunft und Heizung neu und bewilligt...