Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.07.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass einer Berufskrankheit nach Nr. 4111 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV, im folgenden BK 4111).

Der im Jahre 1933 geborene Kläger war als Bergmann unter Tage tätig.

Im Jahre 2012 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren wegen einer BK 4111 ein. Sie stellte fest, dass der Kläger im untertägigen Steinkohlenbergbau bis zum April 1966 einer kumulativen Feinstaubdosis von 163,91 Staubjahren ausgesetzt war. Nach Beiziehung von Arztberichten holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres ärztlichen Beraters Prof. Dr. T ein. Darin meinte dieser, eine Lungenüberblähung sei seit dem 26.11.09 aktenkundig. Der Befund sei zu diesem Zeitpunkt bereits so ausgeprägt gewesen, dass ein langjähriger Krankheitsverlauf hinreichend wahrscheinlich sei. Der Befund entspreche einem vorwiegenden Lungenemphysem. Eine Bronchitis und eine Lungenüberblähung seien seit dem 20.11.09 vom Versorgungsamt als Behinderung anerkannt. Nach Angaben des behandelnden Arztes beständen seit der Erstbehandlung am 17.01.05 Atemwegsbeschwerden mit auskultatorischen Rasselgeräuschen. Das beschwerde- bzw. dokumentationsfreie Intervall betrage somit 39 Jahre. Der Zigarettenkonsum liege seit 50 Jahren bei 10 bis 12 Zigaretten pro Tag, somit ca. bei 25 bis 30 Packungsjahren. Ohne weiter zurückreichende Brückensymptome/-befunde könne nicht empfohlen werden, eine BK 4111 anzuerkennen.

Sodann lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 04.03.13 die Gewährung von Leistungen an den Kläger mit der Begründung ab, dass eine BK 4111 bei ihm nicht bestehe. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, ab den 1960er-Jahren immer wieder wegen chronischer obstruktiver Bronchitis in Behandlung gewesen zu sein. Die daraufhin von der Beklagten unternommenen Versuche, ärztliche Unterlagen über Behandlungen des Klägers vor dem Jahre 2005 wegen Atemwegserkrankungen zu erlangen, blieben ohne Erfolg. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 wies die Beklage den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit seiner am 08.11.13 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Er hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.03.13 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.13 zu verurteilen, bei ihm aus Anlass einer Berufskrankheit nach Ziff. 4111 der Berufskrankheiten-Liste ab 15.12.09 eine MdE von 20 v.H. anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat ein lungenärztliches Gutachten nach Aktenlage von Dr. A eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 09.01.2014 zu folgendem Ergebnis gelangt: Bei dem Kläger bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Lungenemphysem, das mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die Tätigkeit als Bergmann unter Tage zurückzuführen sei, und damit eine BK 4111. Das Lungenemphysem liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seit dem 15.12.2009 vor und bewirke seitdem eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H.

Die Beklagte hat dieser Beurteilung durch Vorlage einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. T1 vom 01.02.2014 widersprochen. Dieser hat gemeint, dass bei einem Zeitintervall von 39 Jahren und unter Berücksichtigung des längeren Zeitraumes bei einer Emphysembildung ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Staubbelastung und Entwicklung eines Emphysems bei der außerberuflichen Mitursache eines wesentlichen Nikotinkonsums nicht mehr hinreichend wahrscheinlich sei.

Das Sozialgericht hat anschließend erneut Dr. A gehört. Dieser ist in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.03.2014 auf seinem Standpunkt verblieben.

Mit Urteil vom 16.07.2014 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger aus Anlass einer BK 4111 ab 15.12.2009 eine MdE von 20 v.H. anzunehmen und ihm die Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen die ihr am 21.07.2014 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 31.07.2014 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des Prof. Dr. N vom 10.09.2014. Darin heißt es: Aufgrund eines Konsensus, der letztlich Plausibilität und keine wissenschaftliche Datenbasis habe, werde bei Versicherten, die 20 Jahre nach Abkehr noch völlig beschwerdefrei seien, d. h. keine Brückensymptome wie Atemnot, Husten oder Auswurf aufwiesen, eine BK 4111 nicht anerkannt. Es gebe keine wissenschaftlichen Daten, dass bei einer Latenzzeit von über 20 oder 30 Jahren ein Zusammenhang zu verneinen sei. Ebenso wenig gebe es wissenschaftliche Daten, dass bei höherer Exposition das Rauchve...

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