Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Kosten gewährter häuslicher Krankenpflege beim Leben in einer Seniorengemeinschaft mit betreutem Wohnen. Eigener Haushalt. Geeigneter Ort für die Leistung. Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der stationären Einrichtung. Anerkennung einer Einrichtung nach dem HeimG. Pflegevertrag. Selbstzahlerklausel
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB 5 setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat.
2. Nach § 37 Abs. 3 SGB 5 besteht ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken im erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Haushalt ist die häusliche wohnungsmäßige familienhafte Wirtschaftsführung.
3. Eine vom behinderten bzw. kranken Versicherten gewählte Form des betreuten Wohnens stellt einen geeigneten Ort gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB 5 dar.
4. Ob vollstationäre Behinderteneinrichtungen bzw. Heime nach dem HeimG in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 2 S 1 SGB 5 einbezogen werden können, ist umstritten. Allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen steht dem Anspruch nicht entgegen, sondern lediglich der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht.
5. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die häusliche Krankenpflege des Versicherten an sonst einem geeigneten Ort erbracht wird, ist die im Einzelfall zu prüfende Frage, ob der Versicherte einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege hat.
6. Hat der Versicherte während des maßgeblichen Zeitraumes weder einen gesetzlichen noch vertraglichen Anspruch auf Gewährung von Behandlungspflege gegenüber dem Träger der betreuten Wohnungseinrichtung, so hat er Anspruch auf Kostenerstattung für die notwendige häusliche Krankenpflege gegenüber dem Träger seiner Krankenversicherung.
Normenkette
SGB V § 37 Abs. 2-3, § 13 Abs. 3 S. 1, § 2 Abs. 1-2; SGB I § 32; SGB XI § 71
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.03.2012 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.2.2009 verurteilt, den Kläger von den ihm für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.3.2009 entstandenen Kosten für die häusliche Krankenpflege i.H.v. 1.892,70 Euro freizustellen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Freistellung von den ihm für den Zeitraum vom 1.1.2009 bis 31.3.2009 für die häusliche Krankenpflege entstandenen Kosten in Höhe von 1.892,70 Euro.
Der 1924 geborene, bei der Beklagten bis zum 31.3.2009 krankenversicherte Kläger leidet unter anderem an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer Demenz. Im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhält er seit dem 1.5.2006 Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe I gemäß § 36 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).
Der Kläger zog am 8.9.2007 aus seiner Wohnung in die Einrichtung B-Str. 00in S, in der damals ca. 13 Personen lebten. Die Einrichtung wird von der Zeugin P, der damaligen Ehefrau des Inhabers des den Kläger versorgenden Pflegedienstes "Häusliche Krankenpflege P" betrieben. Der Kläger hatte bereits im Jahr 2006 mit der "Häuslichen Krankenpflege P", einer gemäß § 72 SGB XI zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besteht, einen Vertrag zur Erbringung häuslicher Pflege abgeschlossen (Pflegevertrag vom 10.5.2006 in der Fassung vom 1.3.2008). Als Leistungen waren im streitgegenständlichen Zeitraum neben der Medikamenten- und Injektionsgabe tägliche Hausbesuche und die Hilfe bei der selbstständigen Nahrungsaufnahme vereinbart. Der Pflegevertrag enthält unter Anderem folgende formularmäßige Vereinbarung:
§ 4 Vergütung
"(3) Der Leistungsempfänger verpflichtet sich zur Übernahme der Kosten, soweit diese nach Maßgabe der jeweils gültigen gesetzlichen Regelung nicht von einem Sozialleistungsträger übernommen werden. Der Leistungserbringer rechnet diese Leistungen unter Zugrundelegung der üblichen Vergütungen gegenüber dem Leistungsempfänger ab."
Mit der Zeugin P, die mit den Eigentümern des Objekts B-Str. 00ihrerseits einen Mietvertrag abgeschlossen hatte, schloss der Kläger ab dem 8.9.2007 einen Untermietvertrag über eine Einzimmerwohnung mit Bad (ohne Kochgelegenheit). Nach § 1 des Untermietvertrages war der Kläger berechtigt, sämtliche weiteren im Gebäude befindlichen Gemeinschaftsräume und Einrichtungen, den Garten und sonstige Bodenflächen jederzeit zu nutzen. Die Wohnfläche betrug ca. 50 m² inklusive der oben genannten gemeinschaftlichen Räumlichkeiten. In dem monatlichen Mietzins von 430 EUR zuzüglich einer Betriebskostenpauschale von 100 EUR waren unter anderem die Hausnotrufanlage, Hausmeistertätigkeiten, Gartenpflege, Strom, Wasser,...