Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Berücksichtigung eines gewährten Darlehens als Einkommen bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Nach § 11 Abs. 1 SGB 2 sind als Einkommen des Grundsicherungsberechtigten zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar. Nur der wertmäßige Zuwachs ist Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 SGB 2 (BSG Urteil vom 17. 6. 2010, B 14 AS 46/09 R).
2. Hat ein Selbständiger den ihm eingeräumten Kontokorrentkredit nicht zu betrieblichen Zwecken ausgenutzt, so liegt kein betriebliches Darlehen vor. Im Übrigen ist ein betriebliches Darlehen wegen der mit der Gewährung verbundenen Rückzahlungspflicht als Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB 2 nicht zu berücksichtigen.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.06.2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs des Klägers. Allein umstritten ist dabei, ob im Zeitraum vom 11.08.2008 bis zum 31.01.2009 Einkommen des Klägers aus einer selbständigen Tätigkeit als Übersetzer und Dolmetscher erzielt wurde und anzurechnen ist.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist in Indien geboren und deutscher Staatsangehöriger. Von Mai 2000 bis 2009 war er in Q selbständig als Übersetzer und Dolmetscher tätig. Er und seine am 00.00.1969 geborene Ehefrau, die die marokkanische Staatsangehörigkeit besitzt, beantragten am 11.08.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Beklagten. Für ihre Wohnung hatten sie monatlich 475,- EUR (375,- EUR Grundmiete und 100,- EUR Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung) zu zahlen. Im selben Haus hatte der Kläger ab dem 01.08.2008 Gewerberäume zu monatlich 416,50 EUR (250,- EUR Grundmiete, 100,- BK-Vorauszahlung, 66,50 EUR Umsatzsteuer) angemietet. Der Kläger führte im streitigen Zeitraum zwei Konten, eines davon nutzte er für die Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit (im Folgenden: Geschäftskonto).
Mit Bescheid vom 26.09.2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 05.02.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Frau vorläufig Leistungen für die Zeit vom 11.08.2008 bis zum 31.01.2009, davon dem Kläger bis Dezember 2008 monatlich 277,50 EUR (237,50 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, 40,- EUR Regelbedarfe), für August 2008 anteilig 194,25 EUR (166,25 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, 28,- EUR Regelbedarfe), für Januar 288,28 EUR (237,50 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung, 50,78 EUR Regelbedarfe). Bei der Berechnung der Leistungen legte der Beklagte ein voraussichtliches Einkommen aus der Tätigkeit als Dolmetscher von 790,- EUR zugrunde, wie es der Kläger bei Antragstellung geschätzt hatte.
In der Zeit vom 01.08.2008 bis zum 31.01.2009 führte der Kläger jeweils mit dem Verwendungszweck "Eigenbedarf" Umbuchungen von seinem Geschäftskonto auf sein privates Konto iHv insgesamt 6.700,- EUR durch, davon am 05.08.2008 500,- EUR, am 05.09.2008 1.000,- EUR, am 06.10.2008 1.000 EUR, am 05.11.2008 1.000,- EUR, am 02.12.2008 1.200,- EUR, am 05.12.2008 1.000 EUR und am 05.01.2009 1.000,- EUR. Am 05.12.2008 zahlte er vom privaten Konto 1.200,- EUR auf das Geschäftskonto mit dem Verwendungszweck "Eigenbedarf Rückzahlung".
Der Kläger legte die für die endgültige Festsetzung maßgeblichen Unterlagen vor. Nach der Betriebswirtschaftlichen Auswertung erzielte er im August 2008 ein Betriebsergebnis von - 167,43 EUR, im September 2008 von - 1.702,65 EUR, im Oktober 2008 von - 268,09 EUR, im November 2008 von 701,46 EUR, im Dezember von - 37,30 EUR und im Januar 2009 von 640,36 EUR. Mit Bescheid vom 14.07.2010 setzte der Beklagte Leistungen für den streitigen Zeitraum endgültig fest. Es seien Änderungen für den Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen eingetreten. Der Kläger habe einen Gewinn iHv 916,67 EUR monatlich aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Insgesamt sei es zu einer Überzahlung von 644,10 EUR gekommen. Bevor er einen Erstattungsbescheid erlasse, gebe er die Möglichkeit, hierzu bis zum 13.08.2010 Stellung zu nehmen. Die Leistungen setzte er dem Kläger und seiner Frau gegenüber wie folgt fest: Für die Zeit vom 11.08.2008 bis 31.08.2008 iHv jeweils 154,70 EUR, für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.12.2008 iHv jeweils 221,- EUR monatlich und für Januar 2009 dem Kläger gegenüber iHv 233,99 EUR und der Ehefrau gegenüber iHv 253,01 EUR (237,50 EUR Regelbedarfe und 15,51 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Den Berechnungen legte er ein Einkommen des Klägers iHv 916,67 EUR zugrunde. Dabei ging er davon aus, dass aus der selbständigen Tätigkeit mit Blick auf die nach Auswertung der Gewinn- und Verlustrechnung anerkennungsfähigen Ein- und Ausgaben im streitigen Zeitraum ein Verlust von 1.788,43...