Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Verminderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente

 

Orientierungssatz

1. Der Zugangsfaktor der Rente wegen voller Erwerbsminderung ist wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente nach § 77 Abs. 2 SGB 6 zu mindern. Der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten gewesen sind, ist bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 .

2. Die Rechtsprechung des früher zuständigen 4. Senats des BSG ist von den nunmehr zuständigen 5. und 13. Senaten nicht aufrechterhalten worden. Seit der Entscheidung des BVerfG vom 11. 1. 2011 ist geklärt, dass die Verminderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung verfassungskonform ist.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.11.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit dem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen hat.

Die Klägerin ist am 00.00.1948 in L geboren und ist 1988 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen.

Mit Rentenbescheid vom 25.01.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 12.10.2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Leistungsfall 12.10.2005) ab dem 01.05.2006 befristet bis zum 31.10.2006.

Den Monatsbetrag der Rente errechnete die Beklagte nach Anlage 6 des Bescheides aus 24,8881 Entgeltpunkten mit einem Zugangsfaktor von 0,892; im Rahmen dieser Rentenberechnung hatte sie den Zugangsfaktor vermindert, indem sie für jeden Kalendermonat nach dem 31.07.2008 (entspricht dem Ende des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Faktor von 1,0 um 0,003 reduzierte, d. h. um 36 x 0,003 = 0,108. Die Berechnung der Minderung des Zugangsfaktors ist unstreitig.

Nach Anlage 2 des Bescheides berücksichtigte sie 34 Monate Zurechnungszeit für den Zeitraum vom 12.10.2005 bis 13.07.2008.

Unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren ergab dies einen monatlichen Zahlbetrag der Rente in Höhe von 526,15 EUR netto.

Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 02.02.2006 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete der Bevollmächtigte nicht.

Mit Rentenbescheid vom 28.12.2006 verlängerte die Beklagte die Befristung der Rente bis zum 31.03.2008. Der Bescheid wurde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Zudem erhielt die Klägerin mit Mitteilung vom 01.07.2007 von der Beklagten eine Rentenanpassung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 25.01.2006 sowie 28.12.2006 als unbegründet zurück.

Mit der am 06.09.2007 erhobenen Klage hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, die Klägerin begehre eine Rente mit einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0. Er berief sich hierzu im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.01.2006 sowie 28.12.2006 in der Form der Rentenanpassungsmitteilung vom 01.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 16.05.2006 sei nicht zu folgen. In diesem Urteil werde eine der Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht werdende Sichtweise formuliert. Der Gesetzgeber gehe tatsächlich davon aus, dass auch die Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen würden, mit einem Abschlag zu versehen seien.

Mit Bescheid vom 05.10.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin die mit Bescheid vom 25.01.2006 gewährte Rente als Dauerrente.

Mit Urteil vom 24.11.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Zu Recht habe die Beklagte den Zugangsfaktor auf 0,892 gemindert. Demzufolge habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente. Gemäß § 77 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 3 SGB VI sei der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten gewesen seien, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werde, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginne die Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres, sei die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, vgl. § 77 Absatz 2 Satz ...

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