Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Mobilitätshilfe. Reisekostenbeihilfe. Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Referendariat. Versagung bei Versicherungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Eine Mobilitätshilfe gem § 16 Abs 1 SGB 2 iVm § 53 Abs 1 SGB 3 aF kann nicht gewährt werden, wenn keine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, sondern für die Zeit des Referendariats ein Beamtenverhältnis auf Widerruf begründet wird. Diese Auslegung der Vorschriften verletzt - auch bei Hilfebedürftigen nach SGB 2 - nicht Verfassungsrecht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 02.06.2009 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Mobilitätshilfen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren sind.
Der 1960 geborene Kläger, der im Jahr 2003 ein Kunststudium mit Diplom abschloss, lebte in C und bezog dort zunächst Sozialhilfe und ab 2005 vom Beklagten Leistungen nach dem SGB II (zuletzt Bescheid vom 14.08.2006). Aufgrund Eigeninitiative wurde er ab 01.02.2007 als Studienreferendar in den Vorbereitungsdienst des Landes NRW (Studienseminar N) eingestellt und zum Beamten auf Widerruf ernannt, dies mit Anwärterbezügen nach A13 mit Zulage. Aus diesem Grund zog er zum 01.02.2007 von C nach Bad P um.
Mit Antragsformular vom 12.01.2007 (Eingangsstempel 26.01.2007) beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung einer Reisekostenbeihilfe für den Antritt der Arbeitsstelle in N. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.01.2007 ab, da kein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis aufgenommen werde.
Mit Schreiben vom 17.01.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Mobilitätshilfen gem. § 53 bzw. § 54 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und begehrte die Zahlung einer Reisekostenbeihilfe in Höhe von bis zu 300 Euro, einer Übergangsbeihilfe als Darlehen bis zur ersten Lohnzahlung in Höhe von 1.000 Euro, einer Ausrüstungsbeihilfe in Höhe von bis zu 260 Euro, einer Umzugskostenbeihilfe in Höhe von bis zu 4.500 Euro, einer Fahrtkostenbeihilfe und einer Trennungskostenbeihilfe. Seinem Schreiben fügte er eine Bescheinigung der Bezirksregierung Detmold vom 10.01.2007 bei, wonach das Land NRW keinerlei Kosten für Umzüge oder sonstige Auslagen erstatte.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 09.03.2007 und Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007 ab. § 53 SGB III setze für einen Leistungsanspruch die Aufnahme einer "versicherungspflichtigen" Beschäftigung voraus. Der Kläger, der als Beamter auf Widerruf ernannt worden sei, gehöre nicht zum versicherungspflichtigen Personenkreis des § 27 SGB III.
Der Kläger hat am 14.05.2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben und beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 09.03.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Bewilligung einer Reisekostenbeihilfe, Übergangsbeihilfe, Ausrüstungsbeihilfe, Umzugskostenbeihilfe und Trennungskostenbeihilfe sowie Fahrtkostenbeihilfe neu zu bescheiden.
Die Bescheide entsprächen zwar dem Wortlaut des Gesetzes. Die Vorschriften seien jedoch nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen, weil sonst ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliege.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 02.06.2009 abgewiesen. Sämtliche vom Kläger geltend gemachten Ansprüche würden daran scheitern, dass der Kläger zum Beamten auf Widerruf ernannt worden sei, denn diese Beschäftigung sei gem. § 27 SGB III versicherungsfrei, so dass der Kläger die Grundvoraussetzung des § 53 SGB III nicht erfülle. Eine Ungleichbehandlung gegenüber angestellten Arbeitnehmern liege nicht vor, denn der Dienstherr treffe für die Beamten auf Widerruf für die Dauer ihres Beamtenverhältnisses ausreichende Vorkehrungen, um ihnen die Aufnahme und Durchführung ihrer Beschäftigung zu ermöglichen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gehe die Kammer davon aus, dass der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht verletzt werde. So habe das BVerfG entschieden, dass die Versicherungsfreiheit von Beamten auf Widerruf nicht verfassungswidrig sei (BVerfG SozR 4100 § 169 Nr. 4). Als sachlichen Differenzierungsgrund habe das BVerfG dabei angesehen, dass Referendare nach ihrer Ausbildung als Beamte, Selbständige oder höher verdienende Angestellte der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung (nach damaligem Recht) nicht angehören würden. Ob dies überzeuge, könne dahinstehen. Die Referendarausbildung sei auch für andere juristische Berufe unerlässlich, weshalb einige Länder von der seit 01.07.1997 bestehenden Möglichkeit nach § 14 Abs. 1 Beamt...