Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk bei einem Juristen als Mitarbeiter in einem Versicherungsunternehmen

 

Orientierungssatz

Ein als Rechtsanwalt zugelassener Beschäftigter einer Versicherungsgesellschaft übt schon aufgrund seiner Einbindung in die Arbeitsorganisation seines nichtanwaltlichen Arbeitgebers keine dem Berufsbild eines Rechtsanwalts entsprechende Tätigkeit aus, so dass auch bei einer aufgrund der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bestehenden Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk der Rechtsanwälte eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht kommt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.05.2018; Aktenzeichen B 5 RE 5/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 05.04.2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die erstmalige Befreiung von der Versicherungspflicht.

Der am 00.00.1980 geborene Kläger hat die erste und zweite juristische Staatsprüfung abgelegt.

Aufgrund eines befristeten Trainee-Vertrages vom 14.07.2009 war der Kläger in der Zeit vom 01.08.2009 bis 31.07.2010 bei der Beigeladenen zu 2), einem Versicherungsunternehmen, beschäftigt. Nach Punkt 1.) der vertraglichen Vereinbarung vom 14.07.2009 wurde die Beschäftigung wie folgt umschrieben:

"Er wird während einer 12-monatigen Qualifizierungs- und Orientierungsphase in verschiedenen Bereichen des Unternehmens ausgebildet und eingesetzt und so auf eine entsprechende Tätigkeit in der Unternehmensgruppe vorbereitet".

Am 10.05.2010 vereinbarten der Kläger und die Beigeladene zu 2) die unbefristete Anstellung des Klägers für die Zeit ab dem 01.08.2010. Er ist verpflichtet, seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen (Punkt 1. Satz 2 des Arbeitsvertrags vom 10.05.2010).

Die Beigeladene zu 2) entrichtet für den Kläger laufend Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung.

Seit dem 22.02.2010 ist der Kläger Mitglied der Rechtsanwaltskammer I und kraft Gesetzes Mitglied bei der Beigeladenen zu 1), die ihren Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten Versorgung nach Maßgabe ihrer Satzung und des Gesetzes über die Rechtsanwaltsversorgung (RAVG NW) vom 06.11.1984 (GVBI NW 684) gewährt. Die Beigeladene zu 1) erhebt gemäß § 30 Abs. 7 ihrer Satzung einen Mindestbeitrag in Höhe von monatlich 109,62 EUR (bis 12/2013) bzw. 112,46 EUR (ab 01/2014).

Mit Antrag vom 25.03.2010 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten erstmalig die Befreiung von der Versicherungspflicht für eine Tätigkeit als "Rechtsanwalt/Volljurist" bei der Beigeladenen zu 2) ab dem 01.03.2010. Der Beginn der Beschäftigung wurde auf den 01.08.2009 datiert. Dem Antrag beigefügt war eine Freistellungsbescheinigung der Beigeladenen zu 2) zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer vom 16.11.2009, wonach die Beigeladene zu 2) unwiderruflich ihr Einverständnis damit erklärte, dass der Kläger neben seiner angestellten Tätigkeit eine Anwaltspraxis führen dürfe. Unter anderem sei er auch während der Dienststunden zur Wahrnehmung etwaiger anwaltlicher Termine und Besprechungen jederzeit freizustellen, ohne im Einzelfall eine Erlaubnis darüber einholen zu müssen, selbst wenn etwaige für die Beigeladene zu 2) wahrzunehmende Termine mit den in der Anwaltspraxis des Klägers anstehenden Terminen kollidieren sollten. Ferner nahm der Kläger auf eine Tätigkeitsbeschreibung der Beigeladenen zu 2) vom 16.11.2009 Bezug, wonach der Kläger seit dem 01.08.2009 in ungekündigter Stellung als Volljurist beschäftigt sei. Er werde rechtsberatend, -entscheidend, -gestaltend und -vermittelnd tätig.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger durch Schreiben vom 28.05.2010 mit, dass es keine konkrete Stellenbeschreibung seiner Beschäftigung oder ein Organigramm der Beigeladenen zu 2) gebe. Er vertrat die Ansicht, dass aus den überreichten Unterlagen hinreichend deutlich hervorgehe, dass es sich bei der ausgeübten Tätigkeit um eine für einen Rechtsanwalt typische Beschäftigung handele.

Mit Bescheid vom 05.08.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) ab. Sie vertrat die Ansicht, dass es sich bei der vom Kläger ausgeübten abhängigen Beschäftigung nicht um eine berufsständische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Der Kläger sei zwar Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und der Beigeladenen zu 1). Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit ergebe sich, dass der Kläger keine anwaltliche Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) ausübe. Die ausgeübte Tätigkeit sei nicht als anwaltlich anzusehen, weil diese Tätigkeit objektiv nicht zwingend die Qualifikation als Volljurist voraussetze. Aus der tariflichen Eingruppierung der Tätigkeit folge, dass der Kläger offensichtlich als Sachbearbeiter für die...

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