Entscheidungsstichwort (Thema)

Endgültige Leistungsverpflichtung des vorläufig örtlich zuständigen Sozialversicherungsträgers bei streitigem gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Existiert kein maßgeblicher letzter gewöhnliche Aufenthalt oder kann dieser endgültig nicht ermittelt werden, entfällt der in § 98 Abs. 2 S. 3 SGB 12 vorausgesetzte Zuständigkeitskonflikt. Insoweit wandelt sich die vorläufige Zuständigkeit nach § 98 Abs. 2 S. 3 SGB 12 in eine endgültige Leistungsverpflichtung um und verfestigt sich zu einer endgültigen Zuweisung der Zuständigkeit.

2. Zum Erstattungsanspruch nach § 106 Abs. 3 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 SGB 12.

 

Tenor

Auf die Berufungen des Beklagten und der Klägerin zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 05.06.2012 wie folgt geändert: Der Beigeladene zu 1) wird verurteilt, der Klägerin zu 1) die ihr im Zeitraum von März 2011 bis September 2012 entstandenen Aufwendungen für die dem Beigeladenen zu 3) gewährten Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von insgesamt 7259,61 Euro sowie der Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 7476,33 Euro zu erstatten. Im Übrigen werden die Berufungen der Kläger zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 16399,59 Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der dem Beigeladenen zu 3) von den Klägern gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie der Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Der am 00.00.1944 geborene und schwerbehinderte Beigeladene zu 3) leidet unter anderem an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzistischen Zügen bei angegebener Traumatisierung in der Kindheit, einer rezidivierenden depressiven Störung, einer Oberarmamputation und - eigenanamnestisch - an einer dissoziativen Fugue. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen B, G und aG sowie von der zuständigen Pflegekasse - der Barmer GEK - Pflegestufe 1 festgestellt worden. Die Barmer GEK gewährte ihm in den Jahren 2010 und 2012 ein Pflegegeld i.H.v. monatlich 225,00 EUR. Der Antragsteller bezog in diesem Zeitraum außerdem eine Regelaltersrente in Höhe eines monatlichen Auszahlbetrages von 325,31 EUR (bis Januar 2011), 324,23 EUR (von Februar 2011 bis Juni 2011) und 327,45 EUR (Juli 2011 bis Dezember 2012).

Der Beigeladene zu 3) wohnte ab Oktober 2004 in L und erhielt von der Beigeladenen zu 2) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Bis Juli 2006 wohnte in dieser Wohnung auch seine am 00.00.1993 geborene Tochter. Ab Juli 2006 wurde diese vom zuständigen Jugendamt in einem Heim untergebracht. Im Oktober 2006 verließ der Beigeladene zu 3) seine Wohnung und hielt sich in der Folge an verschiedenen Orten in Deutschland auf. Der Beigeladenen zu 2) teilte er am 25.01.2007 mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach L zurückkehren werde, woraufhin die Beigeladene zu 2) mit Bescheid vom 08.02.2007 die Gewährung von Grundsicherungsleistungen mit Wirkung ab dem 28.02.2007 aufhob. Am 08.02.2007 suchte der Beigeladene zu 3) eine psychiatrische Klinik in I auf, wo er bis zum 02.05.2007 behandelt wurde. Anschließend lebte er vom 02.05.2007 bis zum 31.08.2007 in einem Altenheim in C.

Zum 01.09.2007 zog der Beigeladene zu 3) in eine Wohnung nach P in Ostholstein. Ab dem 04.09.2007 wurde er durch die C gGmbH im Rahmen der Eingliederungshilfe betreut. Der Beklagte gewährte dem Beigeladenen zu 3) mit Bescheid vom 17.09.2007 Eingliederungshilfeleistungen in Gestalt ambulant betreuten Wohnens zunächst für den Zeitraum vom 04.09.2007 bis zum 31.03.2008 und anschließend bis zum 15.07.2010. Insgesamt zahlte der Beklagte für den Beigeladenen zu 3) Leistungen der Eingliederungshilfe i.H.v. 20.562,73 EUR. Überdies bewilligte der Beklagte dem Beigeladenen 3) vom 01.09.2007 bis zum 30.06.2011 ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII. Die letzte Auszahlung von Grundsicherungsleistungen an den Beigeladenen zu 3) durch den Beklagten erfolgte am 24.09.2010 für den Monat Oktober 2010.

Im Verlaufe des Monats Mai 2010 verließ der Beigeladene zu 3) nach eigenen Angaben seine Wohnung in P und wohnte zunächst bei einer Freundin in I. Ab Anfang Juli 2010 bereiste er verschiedene Städte (Bordeaux, Straßburg, Dresden, Halle). Vom 25.07. bis zum 02.09.2010 war der Beigeladene zu 3) in einer Klinik in Halle (Saale) untergebracht. Dem Klinikpersonal teilte er mit, dass er seine Zelte in P abgebrochen und vor dem Klinikaufenthalt bereits drei Wochen in Jugendherbergen unterschiedlicher Städte (Bordeaux, Straßburg, Dresden und zuletzt in Halle) gewohnt habe. Er habe noch Wohnungen in F, P und I. Weiterhin gab der Beigeladene zu 3) dort an, dass er gerne nach Sachsen-Anhalt ziehen wolle und seine Wohnung in P bereits gekündigt habe. Von diesen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge